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Lustvolles Erwachen

Lustvolles Erwachen

Titel: Lustvolles Erwachen
Autoren: Eileen Dreyer
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sich, als hätte er einen Schlag in die Magengrube bekommen. Er ging zu seinem Vater und zog ihn auf die Beine. »Sag, dass das nicht stimmt.«
    Sein Vater löste Diccans Hände und schob sie weg. »Ich lüge nie. Ich weiß, dass du von mir nicht gern etwas annimmst, aber wenn du ein bisschen Zeit hattest, um darüber nachzudenken, wirst du merken, welch großen Gefallen ich dir getan habe. Ich habe dich befreit.«
    Diccan konnte sich nicht rühren. Hinter ihm wurde die Tür geöffnet und wieder geschlossen. Er konnte fühlen, dass sie gegangen war, aber er rief sie nicht zurück. Er hatte nicht das Recht dazu. Immerhin war er – egal, was sein Vater sagte – nicht derjenige, der befreit worden war.
    In diesem Moment wurde Diccan klar, dass sein Vater sich irrte. Es war nicht die Ehe, die ihn zerstören würde, sondern das Ende dieser Ehe.
    Er wich zurück. Seine Worte hatten ein unerbittliches Gewicht. »Lord Evelyn Hilliard, im Namen des Königs nehme ich Sie fest.«
    »Ich werde nicht ins Gefängnis gehen«, entgegnete sein Vater und strich den Mantel glatt, an dem Diccan ihn auf die Beine gezerrt hatte. »Diesen Skandal kann die Regierung sich nicht leisten.«
    »Das ist nicht meine Entscheidung.«
    Er versuchte, sich abzuwenden. Doch sein Vater hielt ihn fest. »Denk daran, was du deiner Mutter damit antust.«
    Diccan weigerte sich, ihn anzublicken. »Ich werde mich um meine Mutter und meine Schwestern kümmern.«
    »Deine Mutter wird dich nicht in ihre Nähe lassen. Lass mich gehen.«
    »Nein.«
    Das hätte eigentlich das Ende sein müssen. Er hätte seinen Vater an Marcus übergeben und mit Grace aus diesem Haus an einen Ort verschwinden sollen, wo er versuchen konnte, ein bisschen von dem Schaden wiedergutzumachen, den sein Vater gerade angerichtet hatte. An einen Ort, wo er und Grace sich gemeinsam ein neues Leben aufbauen konnten. Er hätte es besser wissen müssen …
    Marcus hatte eine Kutsche organisiert, die draußen wartete. Diccan entschuldigte sich bei seinem Cousin Edwin und geleitete seinen schweigenden Vater durch die riesige Eingangshalle zu der großen Eichentür, die von dem korrekten Butler des Dukes aufgehalten wurde. Marcus folgte Diccan hinaus, und Grace ging wortlos hinter ihnen her.
    Nachdem es im Schloss so düster gewesen war, musste Diccan blinzeln, als ihn das helle Sonnenlicht plötzlich blendete. Am Fuße der Treppe stand die Kutsche mit den zwei Vorreitern, die darauf warteten aufzusteigen. Er hörte die mürrische Stimme seines Cousins, der seinen Butler aufforderte, die Tür zu schließen. Vorsichtig führte er seinen Vater die Stufen hinunter. Plötzlich stolperte sein Vater, und im selben Moment hörte Diccan ein unverwechselbares Knallen.
    »Pistole!«, schrie er. »Alles in Deckung!«
    Er sah, wie Grace sich zu Boden warf und in die Richtung blickte, aus der der Pistolenschuss offenbar gekommen war, der noch widerhallte. Marcus stürmte die Treppe hinab. Diccan versuchte, seinen Vater mit sich hinunterzuziehen, aber es schien, als wäre der Bischof versteinert. Stocksteif stand er auf den Stufen. Ein überraschter Ausdruck stand auf seinem Gesicht.
    »Vater?«
    Sein Vater sah auf, doch er kippte bereits nach vorn. Ehe Diccan ihn festhalten konnte, stürzte der Bischof, rollte die restlichen Steinstufen hinab und blieb regungslos auf dem Kies des Vorplatzes liegen.
    Diccan rannte zu ihm. Grace folgte ihm. Marcus rief seinen Vorreitern zu, den Schützen zu suchen.
    »Ein Scharfschütze«, sagte Grace leise, als sie neben seinem Vater in die Knie ging. Sie wies auf eine Gruppe von Bäumen zu ihrer Rechten. »Dort.«
    Marcus warf ihr einen schiefen Blick zu. Die Vorreiter stürzten los. Mit hämmerndem Herzen drehte Diccan seinen Vater um, bereit, etwas zu tun. Irgendetwas.
    Aber er konnte nichts mehr tun. Sein Vater war tot.
    Am Tag vor ihrem neunzehnten Geburtstag war Grace in einen reißenden Fluss gestürzt. Es war Frühling gewesen, es hatte viel geregnet, und ihr Vater, der damals noch Colonel gewesen war, hatte ein Bataillon Gardisten angeführt, das Wellingtons Truppen in Spanien unterstützen sollte. Aus Angst, ein Gefecht zu verpassen, hatte der Colonel seinen Leuten und Grace befohlen, im strammen Marsch durch die unwegsame Landschaft Portugals zu marschieren.
    Es war Grace nicht in den Sinn gekommen, dass sie es nicht schaffen könnte, den namenlosen Gebirgsbach zu überqueren. Sie hatte schon unzählige andere Flüsse überquert, und sie saß auf ihrem
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