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Lustvolles Erwachen

Lustvolles Erwachen

Titel: Lustvolles Erwachen
Autoren: Eileen Dreyer
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zuverlässigen Rotschimmel Joker. Dieses Mal jedoch stolperte Joker, und Grace wurde kopfüber in den wilden Fluss geworfen, aus dem gefährliche Felsbrocken ragten. Unaufhaltsam riss das Wasser sie flussabwärts.
    Sie erinnerte sich an die Orientierungslosigkeit und die nackte Angst. An den Kampf um jeden Atemzug und den flüchtigen Blick auf das Ufer, das immer wieder verschwand, ehe sie es erreichen konnte. Doch vor allem erinnerte sie sich an das Gefühl der Sinnlosigkeit, das sie ergriff, als sie im Wasser hilflos mit den Armen ruderte. Und an das Gefühl, dass sie, egal, wie sehr sie sich auch anstrengte, unweigerlich ertrinken würde.
    Natürlich war sie nicht ertrunken. Kit Braxton war ihr hinterhergesprungen und hatte sie eineinhalb Meilen flussabwärts ans Ufer gezogen. Aber die Erinnerung verursachte ihr noch immer Albträume.
    Im Augenblick fühlte sie sich genauso. Gefallen, angeschlagen, verwirrt. Wütend und ängstlich. Hohl und leer, von einem immer stärker werdenden Gefühl der Sinnlosigkeit erfasst. Sie hatte Diccan verloren. Nein, sie sollte ehrlich sein. Die Wahrheit war, dass er ihr nie gehört hatte. Er war nett gewesen und hatte das Beste aus dem Blatt gemacht, das das Schicksal ihm zugespielt hatte. Doch sein Vater hatte recht gehabt. Er war frei.
    Sicherlich würde er widersprechen. Er war ein ehrbarer Mann und ließ auch jetzt nicht zu, dass ihr Ruf ruiniert wurde. Aber Grace konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie ihn bestrafen würde, um Sicherheit zu bekommen.
    Sie hatten sich darauf geeinigt, dass sie ihren Freunden die Wahrheit erst nach Jack und Olivias Hochzeit sagen würden. Schließlich war die Stimmung durch den Tod von Diccans Vater schon genug getrübt. Die ganze Wahrheit über den Tod des Bischofs würde niemals verraten werden. Evelyn Hilliard, Bischof von Slough, war ums Leben gekommen, als er ein Komplott gegen die Krone aufgedeckt hatte. Das war die Geschichte, die der Erzbischof von Canterbury verkünden würde, wenn er kam, um zum Tod seines Cousins eine Messe zu halten. Nur so konnten Diccans Mutter und seine Schwestern geschützt werden.
    Grace hatte endlich Diccans Schwestern kennengelernt – die blasse, stille Charlotte, genannt Charlie, und die rastlose junge Winnie. Die beiden suchten Trost bei ihrem Bruder und begegneten ihrer neuen Schwester mit Misstrauen. Grace hätte so gern geholfen, doch Diccans Mutter erlaubte es nicht. Angesichts des Zustands von Lady Eloise hielt Grace sich zurück – es war das Einzige, was sie tun konnte.
    Lady Eloises Reaktion war der größte Schock in einer Woche voller schockierender Ereignisse gewesen. Diese unnachgiebige, arrogante Frau, die auf jeden anderen Menschen herabblickte, war am Tod des Bischofs zerbrochen. Offensichtlich hatte sie ihren engstirnigen Ehemann abgöttisch geliebt.
    »Grace?«, fragte jemand. »Geht es dir gut?«
    »O ja, danke«, antwortete Grace automatisch, »mir geht es gut.«
    Sie versuchte, sich wieder auf ihre Umgebung zu konzentrieren. Es war Kate, die gesprochen hatte. Sie saßen Seite an Seite an einem Tisch in der großen Halle von Oak Grove, umgeben von Gemurmel und Lachen und dem gelegentlichen Klirren von Gläsern und Gabeln. Einen Moment lang war Grace sich nicht sicher, warum sie hier war. Dann hörte sie Jack lachen. O Himmel, sie war während des Hochzeitsmahls von Jack und Olivia mit ihren Gedanken ganz woanders gewesen.
    Sie wünschte, sie hätte den Aufruhr in den vergangenen Tagen dafür verantwortlich machen können. Aber in Wirklichkeit hatte sie sich absichtlich in sich zurückgezogen. Sie fühlte sich so klein, und es schmerzte, das Glück in Jack und Olivias Augen zu sehen. Sie endlich glücklich zu sehen, nachdem sie so viel durchgemacht hatten.
    Die Zeremonie selbst war schlicht und ehrlich gewesen. Der Pfarrer der Gemeinde hatte sie in der kleinen normannischen Kirche in Bury getraut. Olivia sah in ihrem blassrosafarbenen Kleid und der Strohhaube unbeschreiblich hübsch aus, als sie mit leuchtenden Augen zu ihrem Ehemann aufgeblickt hatte. Angesichts des liebestrunkenen Ausdrucks in Jacks Augen war er offensichtlich derselben Meinung. Grace bezweifelte, dass die beiden irgendetwas um sich herum wahrgenommen hatten.
    Grace war es nicht gewohnt, Neid zu verspüren. Sie mochte das Gefühl nicht. Doch sie beneidete ihre Freunde. Sie beneidete sie um ihre Freundschaft, ihre Hingabe, ihre Hoffnung. Am meisten beneidete sie sie um ihre Freude. Sie wünschte sich eine Ehe wie
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