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Lukkas Erbe

Lukkas Erbe

Titel: Lukkas Erbe
Autoren: Petra Hammesfahr
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sie sterben. Mir hat er einmal erzählt, dass er im Urlaub besonders gerne filmt, weil man dann das Leben spürt. Er hat mehr Mädchen getötet als nur die vier, von denen die Polizei weiß.»
    Miriam sprach inzwischen so ruhig, dass es Nicole unheimlich wurde. «Bello», sagte sie noch einmal. «Ich muss wissen, wen Lukka damit gemeint hat. Er nannteihn seinen Nachfolger, einen Spanner, der oft im Mais liegt und sich von dort aus die Videos zusammen mit ihm anschaut. Begreifst du, was das heißt?»
    Als Nicole nicht antwortete, erklärte Miriam: «Hier läuft eine Zeitbombe herum. Ein Mann, der sich wahrscheinlich tausendmal angeschaut hat, was Lukka tat. Irgendwann wird er es tun.»
    «Du musst mit der Polizei sprechen», sagte Nicole noch einmal.
    Miriam lachte kurz und spöttisch. «Vielleicht zuerst mit Walter? Da wäre ich vermutlich an der richtigen Adresse. Er wusste jedenfalls, dass Lukka in der Nacht hier war, als Svenja Krahl verschwand. Walter nannte sogar eine Uhrzeit, erinnerst du dich?»
    So genau erinnerte Nicole sich nicht. Und was Miriam da andeutete, erschien ihr zu absurd, ausgerechnet Walter, der ihr eine Dose mit Tränengas in die Finger drückte und mahnte, gut aufzupassen. Nicole vermutete, dass Miriam zu betroffen und schockiert war von den Videos, ebenso betroffen und schockiert wie sie. Dass Lukka getötet hatte, war schon grauenhaft. Dass er seine Opfer auch noch filmte dabei, war für Nicole mehr, als sie verarbeiten konnte. Und Miriam erging es wohl ebenso, deshalb suchte sie krampfhaft nach einem Mitschuldigen. Und Ben schied nun endgültig aus.

21.   Oktober 1997   –   11   :   30   Uhr
    Schon den zweiten Tag saß Bruno Kleu im Verhör. Ich saß im Büro nebenan und hörte zu, die Verbindungstür war nicht ganz geschlossen. Es war wie vor zwei Jahren, als hätte Dirk Schumann nichts gelernt aus meinen Irrtümern.Jetzt ging es nicht darum, dass Bruno eine der Frauen getötet haben könnte – nur Ben.
    Er bestritt es heftig. «Der Junge hat verhindert, dass ich im Auto verblute, da können Sie nicht im Ernst annehmen, ich hätte ihn aus dem Weg geräumt. Nennen Sie mir einen triftigen Grund dafür.»
    «Weil Sie annehmen mussten, er hätte Ihre Tochter   …», begann Dirk.
    «Blödsinn», schnitt Bruno ihm das Wort ab. «Er hat meine Tochter und die anderen beiden nicht mal in Lukkas Auftrag verscharrt, wie Ihre werte Kollegin annahm. Soll ich Ihnen sagen, warum er die Frauen begraben hat? Weil er sie vor Lukka in Sicherheit bringen wollte. Er dachte, sie kommen immer wieder. Für ihn gab es keinen Tod. Es war ein hartes Stück Arbeit, ihn so weit zu bringen, dass er uns begreiflich machen konnte, wie er das sieht. Aber wir haben es geschafft. Ich glaube, wir haben es sogar geschafft, ihm begreiflich zu machen, dass tot sein endgültig ist.»
    Kurz nach Mittag fuhr ich nach Lohberg. Ich konnte mir nicht länger anhören, wie mein Kollege Bruno Kleu zusetzte. Ich wollte mit Nicole Rehbach über Miriam Wagner und deren Interesse an Ben sprechen. Nicole war in sehr schlechter Verfassung. In der Nacht hatte sie ihr Kind verloren. Sie weinte nur.
    Dann wollte ich endlich zum Friedhof. Auf halber Strecke zum Dorf meldete Patrizia sich. Ben war wieder da – nach fast einer Woche. Wo er sich aufgehalten hatte in dieser Zeit, konnte er Patrizia nicht erklären. Mir war es im ersten Moment auch nicht so wichtig. Hauptsache, er lebte. Verletzt war er. Am Arm, sagte Patrizia. «Er hält ihn so komisch, Frau Halinger. Ich darf ihn nicht anfassen. Ich glaube, er hat starke Schmerzen, er blutet auch. Soll ich ihn ins Krankenhaus   …»
    «Nein», sagte ich. «Ich bin in fünf Minuten da.»
    «Ich weiß nicht, ob ich ihn so lange festhalten kann. Er will weg, er ist ganz aufgeregt, er sagt immer: Mit.»
    Ich schaffte es in drei Minuten. Als ich ankam, löste Patrizia ihm gerade zwei Schmerztabletten in Cola auf. Sein Arm war nicht gebrochen, ausgekugelt war er. Und ich konnte das Schultergelenk nicht einrenken, musste ihn ins Krankenhaus bringen. Eine Fleischwunde an seinem Unterarm war nicht so gravierend, nur ein Riss – wie von einem Metallstück.
    Damit erklärte sich das Blut an seinen Händen. Dass es von einer anderen Person stammen könnte, der Gedanke kam mir nicht in der Erleichterung, ihn lebend wieder zu sehen.
    Er war keineswegs erleichtert, geriet völlig außer sich, als er mich zu Gesicht bekam.
    «Hallo, Ben», sagte ich. «Kennst du mich noch?»
    Natürlich kannte er
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