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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord
Autoren: Elke Pistor
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Schliche gekommen. In
dem Streit, vom dem Henrike erzählt hat, ging es nicht nur um das Hotel. Andrea
ist nach dem Gespräch mit mir zu ihrer Schwester gefahren und hat ihr auf den
Kopf zu gesagt, dass sie sie für Reginas Tod verantwortlich hält. Deswegen hat
Birgit sie gefangen genommen, ihre eigene Entführung vorgetäuscht und sich als
Andrea ausgegeben. Sie wollte den Verdacht auf ihre Schwester lenken. Ob sie
von vorneherein geplant hat, sie auch umzubringen, ist noch nicht klar.« Ich
sah Steffen an, ohne ihn wirklich wahrzunehmen, redete und hörte meine eigenen
Worte an mir vorbeifließen. »Auf jeden Fall hat alles damit angefangen, dass
Frank und Regina ein Paar wurden und Frank sich von ihr trennen wollte.«
    »Sie hätte alles
verloren.«
    »Sie hat, Steffen.
Jetzt hat sie alles verloren.«
    Wir schwiegen. Ich
kraulte Hermanns Ohren und spürte die Wärme seines Körpers unter meinen
Fingerspitzen. Er atmete ruhig und gleichmäßig. Vielleicht ging es ihm ja doch
langsam besser.
    »Aber warum das
alles?« Steffen schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß es nicht.
Vielleicht ist es wirklich nur die Angst vor dem Verlust, die sie getrieben
hat.«
    »Reicht das? Wird
man zum Mörder, wenn einem die Dinge und Menschen genommen werden, die man
liebt?«
    »Manchmal reicht
es.« Ich veränderte vorsichtig meine Position, um den Kater nicht zu stören.
»Aber oft liegen die Ursachen auch ganz woanders. Regina, Andrea und Birgit
gehörten immer schon zusammen. Auch als Kinder. Sie schotteten sich nach außen
hin ab und stritten sich trotzdem wie die Kesselflicker. Birgit und Andrea
waren wie alle Schwestern. Sie mussten ihre eigenen Rollen finden, sich
abgrenzen gegen die andere. Dass sie außerdem noch Zwillinge waren, hat nur
dazu beigetragen. Andrea hat den Kampf aufgenommen. Birgit …« Ich verstummte
und seufzte. »Ich glaube, der wahre Grund liegt irgendwo da verborgen.«
    »Nicht miteinander
und nicht ohne einander«, warf Steffen ein, und ich nickte.
    »Ja. Das trifft es.
Seit dem Sommer, als wir auf die Schule nach Schleiden gewechselt sind, gab es
ständig Streit zwischen Birgit und Andrea, daran erinnere ich mich. Das war ja
auch der Grund, warum Andrea und ich uns fester anfreundeten. Sie wollte
einfach mit ihrer Schwester nichts mehr zu tun haben.«
    »Und Regina?«
    »Ich weiß es nicht
mehr. Nach den Ferien war sie irgendwie anders.«
    »Hast du eine Ahnung
warum?«
    Ich zuckte mit den
Schultern. »Das ist so lange her. Als Kind nimmt man mehr hin und hinterfragt
es nicht, wenn sich ein Freund abwendet. Wenn Birgit es nicht von sich aus
sagt, werden wir es wohl nie erfahren. Als Polizist muss man auch damit leben
können. Selbst wenn es mich nicht glücklich macht.«
    Steffen hob eine
Augenbraue. »Hat Hansen noch mehr gesagt?«
    »Ich soll es mir
überlegen.«
    »Was?«
    »Das mit meiner
Kündigung.«
    »Und. Was machst
du?«
    »Es mir überlegen.«
    Er sah mich an. »Und
das andere? Überlegst du dir das auch?«
    Ich wusste, was er
meinte, und ich wusste, dass ich ihm eine ehrliche Antwort schuldig war.
    »Nein, Steffen.« Ich
schaffte es nicht, ihn anzusehen, und hörte, wie er scharf die Luft einzog und
aufstand. »Ich muss es mir nicht überlegen. Ich weiß jetzt, dass ich nicht mit
dir in das Haus einziehen möchte.« Ich schwieg einen Moment. »Wie es aussieht,
habe ich mit einem Schlag ein Kind bekommen. Henrike wird bei mir bleiben.
Andrea hatte das schon kurz nach Henrikes Geburt in ihrem Testament verfügt,
als klar war, dass ich ihre Patentante sein würde. Sie wollte sichergehen, dass
sie versorgt ist, auch wenn niemand damit gerechnet hat, dass das jemals nötig
sein würde. Falls sie …« Ich verstummte wieder und versuchte, die Erinnerung an
das vor Glück leuchtende Gesicht meiner Freundin mit Henrike im Arm für immer
in mir festzuhalten. »Falls sie sterben würde. Damit müssen wir erst einmal
klarkommen, Henrike und ich.«
    Steffen ging zur
Tür, legte seine Hand auf die Klinke und drehte sich zu mir um. »In diesem
›wir‹ komme ich nicht vor, richtig?« Er sagte es ganz ruhig, aber ich hörte
seine Wut und den Vorwurf, den er mir machte. »Du hast dich in der letzten Zeit
verändert, Ina. Weg von mir.« Er schlug mit der flachen Hand gegen die Wand
neben der Tür. »Verdammt, Ina. Findest du das fair?«
    Ich schüttelte den
Kopf. Es war nicht fair, und ich wusste es.
    »Und jetzt?« Er sah
mich an. »Was willst du? Zeit? Abstand?« Er lachte bitter. »Ich glaube, ich
habe
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