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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord
Autoren: Elke Pistor
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dir eine Menge Zeit gelassen und dich nicht bedrängt.«
    »Das Haus«, murmelte
ich, »du hast einfach Tatsachen geschaffen, ohne mich zu fragen, ob ich das
überhaupt will.«
    »Ich hab das Haus
von meinem Geld gekauft. Nicht von deinem. Damit das mal klar ist. Ich hätte
mir gewünscht, du würdest mit einziehen, mir gewünscht, wir hätten eine
Familie, vielleicht sogar Kinder.«
    »Kinder?«
    Er nickte.
    »Steffen, ich bin
achtundvierzig Jahre alt. Dieser Zug ist definitiv abgefahren. Wenn du darüber
nachgedacht hast, dann hast du dir etwas vorgemacht. Vielleicht hast du dir
überhaupt etwas vorgemacht. Oder ich. Was uns betrifft.«
    Er lehnte sich an
den Türrahmen. Eine Haarsträhne fiel in sein Gesicht. In diesem Moment sah er
wieder aus wie der Teenager von früher, und mir schnürte es den Hals zu.
    »Ich hab gemerkt,
was da passiert ist. Aber ich wollte es nicht wahrhaben. Nicht sehen.
Vielleicht bin ich derjenige, der erwachsen werden muss.« Steffen lächelte
bitter. »Auf Wiedersehen, Ina.« Er öffnete die Tür, ging hinaus und ließ die
Haustür leise ins Schloss fallen. Ich blieb sitzen. Reglos. Starrte ihm nach.
Es war so viel. Die Trauer fraß sich in mir fest und fand keinen Weg. Regina.
Andrea. Steffen. Versteinert. Leer. Meine Hände suchten Halt im weichen Fell
des Katers. Ich betrachtete ihn. Seine Lider waren halb geschlossen, das
Köpfchen zur Seite gelehnt. Das Schnurren war verstummt. Er lag ganz still.
Mein Blick verschwamm, Tränen rannen über meine Wangen, übers Kinn und den Hals
hinunter.
    Hermann war tot. Ich
weinte.
    ***
    »In zwei Monaten
ist meine praktische Ausbildung hier beendet.« Judith stand neben Kai Rokke.
Sie lehnten an seinem Wohnmobil und schauten über den Parkplatz zur
Polizeistation. Alles war geklärt. Alles was ihn, Kai Rokke, und die tote Frau
anging. Man hatte die Mörderin gestellt. Er konnte gehen.
    »Hast du Pläne?« Er
kramte den Tabaksbeutel aus der Tasche, nahm eine fertig gedrehte Zigarette
daraus und zündete sie an. Mit zurückgelegtem Kopf blies er kleine Rauchwolken
in den Eifelhimmel.
    »Brauche ich die?«
    Kai Rokke lachte.
»Wäre das nicht mein Text?«
    Judith ließ ihren
Kopf gegen seine Schulter sinken, griff nach der Zigarette in seiner Hand und
zog daran. Sie hustete.
    »Neben dem Haus, in
dem ich wohne, ist ein größeres Stück Wiese. Platz genug für ein Wohnmobil.«
    »Und dann?«
    »Ich weiß nicht.«
Judith lächelte und griff nach seiner Hand.
    ***
    Der vertraute
Weg durch Gemünd gab mir Halt. Die Häuser entlang der Urftseestraße, das
Kurhaus, die Kreuzung mit den beiden Supermärkten, die Kirche. Vor der
Abbiegespur zur Dürener Straße, die mich zum Altenheim bringen würde, hielt ich
an und ließ die Gruppe Motorradfahrer, die mir entgegenkam, passieren. Henrike
schlief immer noch und würde das vermutlich, wie mir der Arzt versichert hatte,
bis morgen früh tun. Dann würden wir uns ihren Dämonen stellen müssen. Jetzt
kämpfte ich gegen meine. Die letzten Tage hatten alles in meinem Leben
verändert, hatten genommen und geschenkt, Wege verschlossen und neue eröffnet.
    Der Käfer kämpfte
sich die letzten Kurven zum neuen Zuhause meines Vaters hoch und rollte dann
mit einem fast dankbaren Seufzen auf den tiefer gelegenen Parkplatz. Ich stieg
aus und ging das letzte Stück bis zum Eingang zu Fuß. Mit einem leisen Surren
glitten die Türen auf. Die Empfangsdame blickte auf, erkannte mich und lächelte
freundlich.
    »Ihr Vater ist mit
seinen Freunden im Garten«, begrüßte sie mich und wies in Richtung Park. Ich
nickte, bedankte mich und machte mich auf die Suche. Ich fand die drei
schließlich auf der Bank vor dem Teich. Sie saßen dicht nebeneinander, Hermann,
Alfons und Amalie, mit dem Rücken zu mir. Sie bemerkten mich erst, als ich sie
beinahe erreicht hatte. Hermann blickte über seine Schulter, stand auf und kam
auf mich zu. Er streckte die Hände aus, zog mich in eine stumme Umarmung und
drückte mich an sich.
    »Ach, Kind«,
murmelte er, strich über meinen Rücken und löste sich von mir. Dann nickte er.
Er musste nicht mehr sagen. In seinem Blick las ich Mitleid, Sorge und die
Bereitschaft, für mich da zu sein, wann immer ich ihn brauchen würde. »Komm zu
uns«, lud er mich mit einer knappen Geste ein und nahm wieder seinen alten
Platz neben Alfons ein. Ich setzte mich neben ihn. Amalie beugte sich vor und
lächelte mich an. Alfons hielt seine Flöte in den Händen und spielte unhörbare
Lieder.
    »Der Kater ist
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