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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord
Autoren: Elke Pistor
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Förster
zwar einen Waffenschrank, aber der war schon lange verwaist. Steffen benötigte
seine Waffen selten, seitdem die Eifel zum Nationalpark geworden war. Sie
wurden an einer zentralen Stelle der Nationalparkverwaltung gelagert und nur
bei Bedarf an die Beamten ausgegeben, da Jagd auf Wild nur noch in
Ausnahmefällen und unter strengen Auflagen gemacht wurde.
    »Was?« Er blieb
ernst, obwohl ich es um seine Mundwinkel herum zucken sah. »Selbstverständlich.
In meinem Waffenschrank.«
    »Lass uns gehen.«
Ich schnappte mir meine Handtasche und war schon halb auf dem Flur, als mir
Hermann wieder einfiel. Ich würde mehrere Stunden weg sein. »Warte bitte kurz«,
rief ich Judith über die Schulter hinweg zu, während ich ins Wohnzimmer ging
und die Tür leise hinter mir schloss. Das ging sie nichts an. Ich kniete mich
vor das Sofa, auf das Steffen den Kater in der Zwischenzeit gelegt hatte, und
steckte meine Nase in sein Fell. An diesen Geruch wollte ich mich immer
erinnern können.
    Dann stand ich auf
und widmete alle meine Gedanken meiner Arbeit. Zumindest versuchte ich es.
    »Haben Sie uns
angerufen?«
    Der Mann auf der
Bank nickte. Er war sehr blass und seine Augen flackerten. Er hatte in der
Fußgängerzone auf uns gewartet. Hinter ihm erkannte ich das stumme Blaulicht
des Rettungswagens auf der Wiese am Wehr. Es reflektierte in den
Schaufensterfronten der Buchhandlung und tauchte die Auslagen in kalten
Schimmer.
    »Geben Sie uns bitte
ihren Namen und ihre Adresse.« Judith hielt Stift und Notizbuch bereit.
    »Kai Rokke
Hornbläser. Ich habe …« Er unterbrach sich und wandte den Kopf in Richtung
Kurpark. »Ich habe …« Er sprang auf, lief zu einem der roten Mülleimer, die an
den Straßenlaternen hingen, und beugte sich darüber. Er würgte und erbrach
sich.
    Ich folgte ihm.
    »Brauchen Sie Hilfe,
Herr Hornbläser?«
    »Es geht schon,
danke. Es ist nur …« Er hob die Arme, und erst jetzt sah ich, dass seine
Kleidung bis auf den Mantel durch und durch nass war.
    »Ina Weinz, Polizei
Schleiden.« Ich musterte ihn. »Was ist passiert? Haben Sie versucht, ihr zu
helfen?« Während ich sprach, signalisierte ich Judith, dass sie eine Decke aus
dem Kofferraum des Polizeiwagens holen und ihm geben sollte.
    Er presste die
Lippen aufeinander und schlang die Arme um den Oberkörper. »Ich bin auf sie
gefallen, weil ich meine ›Lydia‹ aus dem Wasser holen wollte.« Er sah mich an
und musste meinen irritierten Blick bemerkt haben. »Die ›Lydia‹ ist meine
Modellfregatte. Sie hatte sich verheddert. In …« Er machte eine Pause und griff
mit spitzen Fingern an seinen Kopf. »In den Haaren der Frau. Sie waren so lang
und sind wohl in die Schiffsschraube geraten. Deswegen hat sie so ein komisches
Geräusch gemacht.« Er ließ die Hand wieder sinken. »Ich wollte sie retten und –«
    »Wir sind fertig«,
unterbrach ihn der Notarzt und nahm mich zur Seite. »Das ist jetzt euer Job.«
Er wies mit dem Kinn hinter sich. »Sie ist wahrscheinlich ertrunken.«
    »Fremdeinwirkung?«
    »Kann ich nicht
sagen. Da muss der Kollege aus der Rechtsmedizin eine Meinung zu entwickeln.«
    Ich wandte mich
wieder an den Zeugen. »Schaffen Sie es, uns zum Bach zu begleiten?«
    Hornbläser wurde
noch blasser, als er ohnehin schon war. Er fuhr mit der Hand in seine
Manteltasche, kramte ein Päckchen Tabak hervor und nahm eine fertig gedrehte
Zigarette zwischen die Fingerspitzen. »Haben Sie Feuer?«, fragte er heiser.
    »Sie dürfen in der
Nähe des Fundortes nicht rauchen, Herr Hornbläser«, mischte sich Judith ein.
    »Er hat sich ja auch
schon in der Nähe übergeben und damit der Spusi die Arbeit erschwert. Und bevor
ihm noch mal schlecht wird …« Ich fasste in die Innentasche meiner Uniformjacke
und nahm das Feuerzeug heraus, das ich seit dem Sankt-Martins-Umzug im letzten
November mit mir herumtrug. Es war einer meiner ersten Einsätze gewesen, und
irgendwer hatte mir den heißen Tipp gegeben, dass die größten Probleme darin
bestehen würden, weinende Kinder zu beruhigen, deren Laternen verloschen waren.
    »Dann werde ich mir
mal den Fundort ansehen.« Ich reichte ihm das Feuerzeug und sah Judith an.
»Meine Kollegin bleibt bei Ihnen, bis Sie zu Ende geraucht haben, Herr
Hornbläser.« Ich drehte mich um und ging an der Buchhandlung vorbei in Richtung
des Wehrs. Die Buchhändlerin hatte das Schaufenster mit Eifel-Krimis dekoriert.
Sogar einen Gemünd-Krimi gab es da. Ich unterdrückte ein Lächeln. Die
Kommissare in den
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