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Lügen haben rote Haare

Lügen haben rote Haare

Titel: Lügen haben rote Haare
Autoren: Anne-Marie Käfer
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der vergangenen Nacht. Nein, ich werde Paul nicht enttäuschen. Nein, ich werde den Gang nach Canossa gehen, ich habe mich ihm gegenüber wirklich nicht sehr nett benommen. Eine Lüge nach der anderen; nein, Frau van Goch, da musst du jetzt durch. Schwungvoll wische ich mir mit der Serviette über den Mund.
    »Also, von mir aus kann es losgehen!«
    Vroni besteht darauf, dass ich statt der Treckingsandalen ein Paar neue Bergschuhe anziehe, die sie aus der Abstellkammer in der Küche hervorzaubert. Dicke, selbst gestrickte Socken müssen ebenfalls an meine Füße.
    Paul wartet bereits am VW-Bus. Er ist in ein Gespräch mit Toni vertieft, als ich mit meinem Rucksack, in dem vier Literflaschen Mineralwasser stecken, aufkreuze. Eigentlich reichen mir schon die zehn Meter bis zum Bus, der Rucksack ist so schwer wie meine Beine. Und die fühlen sich verdammt schwer an.
    Gundula und Opa Heini wollen nicht mit ins Tal fahren, sie finden es vor der Almhütte so behaglich, dass sie den Tag mit dem Fernglas auf der Bank verbringen wollen. Zaghaft winke ich allen zu, stutze ein wenig, als uns Vroni »Gottes Segen« wünscht. Brauchen wir den wirklich?
    Kaufmanns-Toni fährt die Strecke ins Tal mit noch halsbrecherischerem Tempo als auf der Hinfahrt. Ich schließe die Augen und stelle mir vor, mein Rucksack wäre Gottes Segen als greifbare Materie und halte mich daran fest. In Hinterstein, auf einem großen Parkplatz, hält Toni mit quietschenden Reifen an. Ich schnelle so flott nach vorne, dass mein Sicherheitsgurt einrastet. Dankbar, dass ich den Wagen verlassen darf, steige ich aus. Mit einem »Pfiat di Gott« braust Toni davon.
    Ich wuchte meinen Rucksack auf den Rücken. Paul bietet an, die Wasserflaschen mit in seinen Rucksack zu packen, was ich jedoch entschieden ablehne.
    »Die merke ich kaum, das macht mir nichts aus.«
    »Wirklich, Möhrchen?«
    Ich strahle ihn an. »Ganz wirklich!«
    Er passt die Teleskop-Wanderstöcke auf meine Größe an, dann wandern wir los. Ich atme die herrlich würzige Luft tief ein.
    Paul erklärt kurz: »Die Tour ist relativ einfach. Ab und an werden wir die Hände brauchen, um über einige Felsen zu klettern, das wird dir Spaß machen. Jetzt wandern wir erst einmal Richtung Giebelhaus.«
    Eine kurze Strecke laufen wir über eine geteerte Straße, was ich als sehr angenehm empfinde. Ich pfeife das Kufstein-Lied von Karl Ganzer, das Opa Heini so sehr liebt. Paul dagegen scheint froh zu sein, dass wir die Straße hinter uns lassen und über eine Brücke der Ostrach laufen. Das Wasser ist klar; ich hätte große Lust, die drückenden Wanderschuhe auszuziehen, um meine Füße in dem kalten Fluss zu kühlen. Mit einem Wanderstock zeigt er auf eine Wegweisung, auf der mit grüner, feiner Schrift Breitenberg steht.
    »Wir müssen da entlang.«
    Nach einer ganzen Weile erreichen wir eine Forststraße mit einer tiefen Schlucht. Jetzt pfeift Paul ein Lied. Mir wird schwindelig und gleichzeitig übel, als ich in den Abgrund starre, der mich magisch anzieht. Ich taumele ein wenig, meine Hände krampfen sich um die Griffe der Wanderstöcke.
    Paul mahnt, nicht runter zu schauen. »Halte den Blick stets auf die andere Seite gerichtet, schau immer nur zum Berg. Komm, gib mir deine Hand, du machst das ganz prima, wirklich, du machst das toll.«
    Als wir den nächsten Abschnitt, der serpentinenartig durch einen herrlichen Wald führt, entlang wandern, bin ich relativ entspannt. Kein Abgrund, nur schöne Bäume. Ich fühle mich wie Heidi, genauso ausgelassen benehme ich mich auch. Erste zaghafte Jodelversuche scheitern, Paul erteilt lachend Nachhilfe. Danach tauschen Paul und ich Kindheitserinnerungen aus. Er erzählt von den Ferien im Allgäu, von seinem Freund Oliver, von gewissen Melktechniken, Lagerfeuer und Schlafen im Heu.
    Ich erzähle Anekdoten aus unseren Urlauben auf Fehmarn, natürlich auch die Geschichte von Onkel Egon, der so unerwartet eingeschlafen ist.
    Ich reiche Paul alle zehn Meter die Wasserflasche, damit der verdammt schwere Rucksack schneller an Gewicht verliert.
    Die Zeit vergeht wie im Flug. Nach dem Waldabschnitt erreichen wir eine riesige Weidefläche mit einer Alm. Meine Füße schmerzen mittlerweile; ich spüre, dass sich an meiner linken kleinen Zehe und rechten Ferse Blasen gebildet haben. Ich lockere die Schnürsenkel ein wenig; diese Aktion bringt jedoch wenig Erleichterung.
    »Alles gut, Möhrchen?«
    »Und wieee! Ich fange an, das Bergsteigen zu lieben.« Meine Mittel- und
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