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Luderplatz: Roman (German Edition)

Luderplatz: Roman (German Edition)

Titel: Luderplatz: Roman (German Edition)
Autoren: Katrin Jäger
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durch die ganze Welt. Vor fünf Jahren hatte er sich selbstständig gemacht, und niemand hatte an ihn geglaubt. Außer Isa. Die immer an ihn glaubte. Die an ihn glauben musste, weil er der Einzige war, der ihr ge blieben war. Außerdem wusste sie, dass Wiliam ein guter Planer und Organisator war. Und sie wusste, wie ruhig er wurde, wenn alle anderen nervös waren. Das war wichtig. Wenn ein Lkw, der überbreite Röhrenteile für eine Windkraftanlage transportierte, durch viel zu enge Straßen, über viel zu schmale Brücken oder viel zu steile Hügel gelotst werden musste, verloren selbst die erfahrensten Fahrer die Nerven. Sie mussten den Truck millimetergenau steuern – und das unter Zeitdruck. Wiliam dirigierte sie – und er beruhigte sie. Und obwohl er keinen eigenen Lkw-Führerschein besaß, akzeptierten sie ihren Chef als denjenigen, der ihnen sagte, wo es langging. Er war kein Mann, der seine Firma vom Schreibtischsessel aus führte. Er begleitete die Touren, er war bei seinen Leuten, wenn es brenzlig wurde, und so vertrauten ihm seine Fahrer in diesen Momenten blind. So wie Isa ihm immer vertraut hatte. Nicht eine Sekunde lang hatte sie es bereut, zu ihm in die Niederlande gezogen zu sein.
    Hier, in der deutschen Uniklinik in Münster, fühlte sie sich beinahe wie eine Ausländerin; ihr Deutsch hatte schon einen holländischen Akzent. Doch ihr Arzt hatte ihr die Klinik empfohlen, und Enschede war von Münster nur eine gute Stunde entfernt. Sie kannte die Stadt ein wenig. Von den Weihnachtsmärkten. Davon gab es in Münster reichlich, und halb Holland reiste in der Vorweihnachtszeit in die deutsche Stadt. Der Duft nach frischen Waffeln, nach Glühwein – Isa mochte die Atmosphäre. Doch hier im Krankenhaus war das schöne Münster weit weg. Es roch nach Desinfektionsmitteln.
    Wenn Wiliam erfahren würde, dass ihr Baby vielleicht behindert wäre, würde er den Schwertransport anhalten lassen und sich sofort in Enschede ins Auto setzen und so schnell wie möglich nach Münster fahren. Zu geschäftsschädigend und zu gefährlich, fand Isa und kniff ihre Augen zu. Schlafen, dachte sie. Das könnte helfen. Vielleicht wache ich auf, und alles ist nur ein Albtraum gewesen. So, wie die andere Geschichte. Die andere Geschichte, die so schlimm war, dass sie auch nur ein Albtraum geworden war. Ein Albtraum aus einer anderen Zeit, aus einem anderen Leben. Und deshalb nicht wahr.
    Es war das erste Mal, dass Mario keine abfällige Bemerkung über ihren Lada-Geländewagen machte. Es musste ihm also wirklich schlecht gehen. Viktoria konzentrierte sich auf die Parkplatzsuche. Ihr war ein Stellplatz in der Tiefgarage des Verlagsgebäudes, einem großen Glaskasten mit protziger Eingangshalle, einfach zu teuer gewesen. Doch wenn sie die Knöllchen addierte, die sie inzwischen fürs Falschparken hatte zahlen müssen, hätte sie doch besser daran getan, ein monatliches Parkentgelt zu entrichten. Inzwischen waren alle Plätze dauerhaft vergeben, und sie konnte nicht mehr in den Genuss eines legalen Parkplatzes in der Tiefgarage kommen. So starrte sie aus dem Seitenfenster, ignorierte die ungeduldigen Huper hinter sich und fand, dass Mario auch keine große Hilfe war. Wie er so bleich und starr dasaß und nur nach vorn schaute, statt nach einer Lücke Ausschau zu halten. Ein bisschen dankbarer hätte er schon sein können. Schließlich war sie sofort nach Feierabend wieder zu ihm gekommen, um ihn in ihr Auto zu schieben, damit sie die mysteriöse blonde Frau suchen konnten.
    »Hey, guck doch auch mal mit«, motzte sie ihn an. Doch er antwortete nicht, sondern seufzte einfach nur. Da, ein roter Minicooper scherte aus der Reihe aus. Es würde eng werden, doch Viktoria konnte einparken. Sie hoffte, dass ihr Chef sie vielleicht von seinem Bürofenster aus beobachten würde. Dann würde er sich den nächsten dämlichen Witz über Frauen am Steuer vielleicht sparen. Als sie vor dem Eingang mit der überdimensional großen Drehtür standen, stupste Viktoria Mario noch einmal an.
    »So. Und jetzt wach auf und denk nach. Sie hieß, Entschuldigung, heißt Nana?«
    Er nickte.
    »Sie hat lange blonde Haare, blaue Augen und eine gute Figur. Soweit ich das beurteilen kann. Du weißt das sicher genauer …« Viktoria grinste, Mario nicht.
    »Weißt du sonst noch was? Hat sie vielleicht von ihrem Job hier erzählt?«
    Mario schüttelte den Kopf. Viktoria und er gingen Seite an Seite durch die große Drehglastür und standen im Foyer. Ein paar
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