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Luderplatz: Roman (German Edition)

Luderplatz: Roman (German Edition)

Titel: Luderplatz: Roman (German Edition)
Autoren: Katrin Jäger
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öffnete. Er trug Gummihandschuhe, seine Hose hatte nasse Knie, und er hatte dunkle Ringe unter den Augen. Ohne sie zu begrüßen, tauchte er wieder im hinteren Teil seiner Hundertzwanzig-Quadratmeter-Wohnung ab; Viktoria folgte ihm amüsiert. »Sag jetzt nicht, du schickst mir eine Notfall- SMS , weil deine Putzfrau gekündigt hat«, rief sie ihm hinterher.
    Mario verschwand im Badezimmer.
    Viktoria schüttelte den Kopf. Hoffentlich hatte er nicht gemeint, dass sie ihm beim Kloputzen helfen sollte. »Was soll der Scheiß …« Sie trat durch die Tür und bremste sofort ab. Vor ihr kniete Mario auf den schwarz-weißen Designerfliesen und versuchte, mit einem großen Lappen Blut aufzuwischen. Über dem Whirlpoolrand hing bereits ein rot besudeltes Handtuch, das Wasser in dem durchsichtigen Eimer schwappte rosa hin und her. »Mario! «
    Mario hielt kurz inne und blickte sie an. »Guck nicht so. Ich habe selber keine Ahnung, was das hier ist.«
    Viktoria stemmte die Hände in ihre Hüften. »Ich schon. Das hier ist Blut – und du siehst nicht verletzt aus. Es ist also nicht dein Blut. Mario, was ist hier passiert?« Sie lugte über den Wannenrand. Gott sei Dank. Für einen Moment hatte sie befürchtet, dass dort jemand liegen könnte.
    »Mario, jetzt sag endlich was!«
    Mario wischte weiter wie von Sinnen. Er schüttelte den Kopf und leerte den Eimer in der Toilette aus. Dann ließ er frisches Wasser über den Lappen laufen. Er schaute dabei in sein eigenes bleiches Gesicht im Spiegel.
    Viktoria beobachtete ihn und wartete.
    »Ich, ich, ich habe keine Ahnung. Eine Frau war heute Nacht hier, daran erinnere ich mich. Ich bin aufgewacht, hatte diese höllischen Kopfschmerzen und wollte mir Aspirin holen, und dann sehe ich das hier.« Er zeigte auf den immer noch blutverschmierten Badezimmerboden und das Handtuch auf dem Wannenrand.
    »Welche Frau? Was ist mit ihr?« Viktoria spürte ihren Puls. Hoffentlich hatte Mario keinen Mist gebaut.
    Sie erinnerte sich an ihre erste Weihnachtsfeier beim Express . Mario hatte sich mit einem anderen Kollegen gestritten. Wie zwei Gockel hatten sie voreinander gestanden, und hätten sie Kämme gehabt – sie wären geschwollen gewesen. Ein Wort ergab das andere. Ein Schubser folgte auf den nächsten.
    Marios Kollege schwankte und landete mit dem Ellenbogen auf dem Tisch. Als er sich aufrichtete, steckte eine Glasscherbe in seinem Arm. Niemand behauptete anschließend, Mario hätte ihn absichtlich in das Glas gestoßen, doch gedacht hatten es einige. Und entschuldigt hatte Mario sich nie.
    »Die aus der Kantine …« Mario massierte sich seine Schläfen. »Nana oder so.« Viktoria erinnerte sich. Die aus der Kantine. Eine blonde Schönheit, die plötzlich aufgetaucht war und die es ganz offensichtlich auf Mario abgesehen hatte. Viktoria war von ihrer Kleinmädchenmasche genervt gewesen. Denn die Blondine hatte Mario an einem Mittag gleich dreimal angequatscht. Erst entschuldigte sie sich für einen angeblichen Rempler, den er gar nicht bemerkt hatte. Dann fiel ihr die Essens-karte aus der Hand, und sie schaute dem Plastik hilflos nach. Mario wollte sich schon bücken, doch Viktoria war schneller gewesen. Die großen blauen Augen der Blondine funkelten zornig, als Viktoria ihr die Chipkarte reichte und ironisch meinte: »Früher waren es Spitzentaschentücher, heute lässt man also so was fallen …«
    Der dritte Anmachversuch war noch plumper. Die Kantinenblondine fragte Mario, wo sich der Geldautomat im Verlagsgebäude befinden würde. Sie sei neu hier und kenne sich im Haus genauso wenig aus wie in Berlin. Blinzel, blinzel. Mario hatte das Manöver durchschaut, und es hatte ihm offensichtlich gefallen. Und ganz offensichtlich hatte er jetzt den Touristenführer für sie gemacht und schon einmal eine kleine Privatführung durch ein luxuriöses Schlafzimmer in einer typischen Berlin-Mitte-Wohnung für sie veranstaltet.
    »Sie hat mich genervt«, sagte Mario plötzlich. »Daran erinnere ich mich.«
    »Kann ich mir vorstellen.« Viktoria lief durch Marios Wohnung und schaute in alle Ecken.
    »Meinst du, sie ist hier noch irgendwo?«, Marios Stimme klang kläglich.
    »Was weiß denn ich, was du mit deinen Betthasen so anstellst«, erwiderte Viktoria gereizt.
    »Weißt du ja wohl!«
    O Mann, er kann es nicht lassen, dachte Viktoria. Selbst jetzt noch nicht, zwei Jahre nach dem denkwürdigen Absturz, bei dem sie jedes peinliche Klischee erfüllt hatten. Kollegen feiern, trinken, flirten. Die
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