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Luderplatz: Roman (German Edition)

Luderplatz: Roman (German Edition)

Titel: Luderplatz: Roman (German Edition)
Autoren: Katrin Jäger
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Hemmungen fallen, und am Ende landen Kollege und Kollegin bestenfalls im Bett – im schlechtesten Fall auf dem Kneipenklo. Mario und Viktoria hatten es immerhin in ihr Bett geschafft. Sie hatten sich ein Taxi geteilt, und als es vor Viktorias Dachgeschosswohnung in Kreuzberg angehalten hatte, fand Mario es irgendwie viel praktischer, auch mit auszusteigen. Sie hatte nichts dagegen gehabt. Und die Nacht war – das musste sie zugeben – nett gewesen. Der Morgen danach dann allerdings gar nicht mehr. Beiden war ihr Abenteuer mehr als peinlich, doch weil sie sich kannten, fiel es ihnen auch schwer, die übliche Fluchtmasche durchzuziehen. Mario blieb also bis zum Frühstückskaffee und räumte sogar seine Tasse in die Spüle. Erst dann murmelte er etwas von: »Muss dringend nach Hause, Akku aufladen …«, und Viktoria atmete erleichtert aus, als die Wohnungstür hinter ihm ins Schloss fiel. Sie hatten sich noch ein unbeholfenes Abschiedsküsschen auf die Wange gegeben, und das war’s gewesen. Und das wäre es auch geblieben, wenn Mario nicht ab und zu – und in den unpassendsten Situationen – auf die Sache zurückkommen würde, so wie jetzt gerade.
    »Also, Mario!« Viktoria bemühte sich um Ruhe. »Jetzt zieh erst mal deine dämlichen Handschuhe aus und überleg, woran du dich erinnern kannst.«
    Mario zog an den quietschenden Gummihandschuhen und schmiss sie ins Waschbecken. Dann schlurfte er geknickt ins Wohnzimmer und ließ sich auf den weißen Lederhocker vor seinem Sofa sinken.
    Hoffentlich hat er kein Blut an seinem Hosenboden, dachte Viktoria.
    »Doch, sie hieß Nana«, murmelte Mario leise.
    Viktoria nickte ihm aufmunternd zu. »Und weiter?«
    »Keine Ahnung. Nana irgendwas. Ist doch auch egal.«
    »Nicht, wenn wir die Krankenhäuser abtelefonieren, um zu fragen, ob dort eine Verletzte eingeliefert worden ist.«
    »Du glaubst, sie ist verletzt?«
    Viktoria verdrehte die Augen. »Ich glaube gar nichts. Aber ich habe Blut gesehen.«
    »Ich auch.« Mario ließ den Kopf hängen. »Vielleicht ist sie ausgerutscht. Eine Platzwunde, das könnte doch sein.«
    »Vielleicht.« Viktoria klang nicht überzeugt. »Aber warum ist sie weg?«
    Mario wusste keine Antwort.
    »Sie hieß also Nana …« Sie sah Mario eindringlich an.
    »Mein Gott, Victory! Sie heißt Nana. Sie ist doch nicht tot.«
    Viktoria verkniff sich ein »Wer weiß?« und fragte weiter. »Hast du ihre Handynummer?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Wenn sie in unserer Kantine gegessen hat, hat sie bestimmt auch irgendwo im Verlagsgebäude gearbeitet«, dachte sie laut nach. »Nana ist auch kein so gängiger Name. Wir müssen sie suchen, Mario.«
    Mario schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht.«
    »Ich schon. Wenn du Mist gebaut hast, dann wird sie dich anzeigen. Willst du nicht erst einmal mit ihr sprechen? Oder vielleicht herausfinden, ob es ihr gut geht?«
    Mario sah auf. »Du hast recht.«
    Viktoria grinste. »Wie immer!«

 
    2. Kapitel
    In der 29. Woche greift das Baby gezielt nach der Nabelschnur. Damit werden die Verbindungen von Gehirn, Nerven und Muskeln trainiert. Von jetzt an bekommt es bis zur Geburt wichtige Abwehrstoffe über die Plazenta, die es später vor Infektionskrankheiten schützen. Ihr Kind ist jetzt 38,5 cm groß und wiegt 1.150 g.
    Und ihm fehlt die linke Hand …
    Isa Joss zerknüllte die Schwangerschafts-Informa tionsbroschüre. Gerade so, als könnte das Hochglanzpapier etwas dafür. Und wofür eigentlich? Dass sich ihre Sorgen nicht aufgelöst, sondern verdoppelt, ach, verhundertfacht hatten. Sie war gerade bei der Ultraschalluntersuchung des Uniklinikums gewesen. Eine Routineuntersuchung. Denn, so hatten es ihr gleich mehrere Ärzte versichert, die Frühwehen, der Grund, weshalb sie hier war, waren nicht so dramatisch. Die bekamen sie in den Griff. Alles wäre gut. Doch dann fanden sie sie nicht. Die Hand. Die linke. Das Papier der Broschüre knisterte. Isa hielt ihre Tränen zurück. Sie hielt sich zurück. Denn wegen der Frühwehen musste sie ruhig liegen. Ihre Bettnachbarin lächelte ihr aufmunternd zu. Sie war Portugiesin. Auch ohne ein Wort Deutsch zu verstehen, spürte sie, dass ihre Zimmergenossin Sorgen hatte. Wiliam würde erst am nächsten Abend kommen können. Isa wollte ihn nicht anrufen, sie wollte ihn nicht beunruhigen. Er war ein besonnener Mann, einer, der sich nicht aus der Ruhe bringen ließ. Ohne diese Fähigkeit wäre er sicher auch nicht so weit gekommen mit seiner Firma. Er organisierte Schwertransporte
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