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Luderplatz: Roman (German Edition)

Luderplatz: Roman (German Edition)

Titel: Luderplatz: Roman (German Edition)
Autoren: Katrin Jäger
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Sie hat Viktoria Latell mit ihren Mails angelockt und gehofft, dass ihr Reporterinstinkt sie weiter recherchieren und den vermeintlichen Mord aufdecken lässt.
    »Wow!« Metzger fiel nichts Besseres ein.
    »Frank?« Seine Kollegin klang plötzlich anders.
    »Was ist?«
    »Leon ist schwer krank.«
    »Was?«
    »Er wird nicht wiederkommen. Er geht in den Vorruhestand.«
    »Das tut mir leid. Armer Leon …«
    »Die Ausschreibung läuft bald an.«
    »Mmh.«
    »Nur, damit du es vor allen anderen weißt. Sie suchen einen neuen Leiter für das Rechtsmedizinische Institut Münster.«
    »Mmh.«
    Der Zug fuhr ein. Frank Metzger kam sich vor wie ein Teenager bei seinem ersten Date. Sein Herz klopfte, als er seine kleinen Frösche hinter dem Glas der ICE -Tür entdeckte.
    Als sie ausstiegen, als er sah, dass Klara einen neuen Haarschnitt und einen Zahn weniger hatte, und als Mika ihm förmlich die Hand reichte, statt ihm um den Hals zu fallen, wusste er, was zu tun war.
    Sie würden den ganzen Tag U-Bahn fahren, in den Reichstag gehen, im Görlitzer Park Fußball spielen und im Aquarium in Haifischaugen schauen. Sie würden alles von Berlin mitnehmen, was es mitzunehmen gab. Denn dies war das letzte Wochenende, an dem seine Kinder ihn hier besuchen würden. Ich bin kein Berliner, dachte Frank Metzger und blickte in die Augen seiner Kinder. Ich bin euer Vater. Ich gehöre nach Hause.
    Chefredakteur Willmers wollte motzen, doch es wäre geradezu absurd gewesen. Viktoria hatte zwei Themen für die Seite eins und eine Geschichte des Jahres im Angebot. Eine U-Bahn-Schlägerei, die von einer mutigen Mutter beendet wurde, indem sie sich zwischen die Streithähne gestellt und gefordert hatte: »Still jetzt, das Baby schläft!«, eine abgehackte Hand, die am Weißensee von Badenden entdeckt und in einer Tupperdose zur Polizei gebracht worden war, und ein Exklusiv-Interview mit Rudolfo Rose, das ganz Berlin zum Beben bringen würde.
    Rose bekannte sich gegenüber dem Express absolut unerwartet und ohne jedes vorangegangene Gerücht, seine Frau geschlagen zu haben. Rita Rose erholte sich gerade von ihrem Herzinfarkt, und er bat sie – öffentlich und ausschließlich im Express – um Verzeihung. Er sprach über seine Aggressionen und über seine Therapie. Und über seine Angst, die Liebe seiner Frau verloren zu haben. Er sprach über seine Angst, sich selbst nicht im Griff zu haben. Über zu viel Alkohol. Über zu viel Geld. Zu viel Ruhm.
    Kein Zweifel – nach dieser Konferenz war Viktoria die Heldin des Tages.
    Sie lächelte vor sich hin. Aber nicht, weil Willmers gerade vor Begeisterung auf den Tisch geschlagen und die Klatschkollegin wortlos die Versammlung verlassen hatte, Charly ihr anerkennend die Schulter knuffte und der Rest der Mannschaft sie mit staunenden Augen ansah.
    Nein, sie hatte gerade eine SMS bekommen.
    »Na?«, stand dort.
    » I miss u «, schrieb sie. Und darunter setzte sie ein Smiley.

 
    Epilog
    Der Geruch von Klebstoff steigt in seine Nase. Er verteilt die zähe Flüssigkeit gleichmäßig auf dem dünnen Zeitungspapier und drückt es auf das weiße Blatt in seinem Ordner. Mit schwarzem Kugelschreiber schreibt er Express darüber, dahinter das Datum. Sie haben Florian gefunden. In der Spree, am Fuße eines dieser bescheuerten Kunstwerke, zu denen die Touris immer pilgern. Florian sei wahrscheinlich beim Entenfüttern ausgerutscht und in den eiskalten Fluss gefallen, damals, vor fünfeinhalb Jahren.
    Die Eltern hätten jetzt ihren Frieden gefunden, stand in dem Artikel. Den Text hat wieder diese Viktoria Latell geschrieben. Er hat ihre Art zu schreiben wiedererkannt. Mit ganz viel Gefühl und Emotionen, aber nicht kitschig. Sie macht das wirklich gut.
    Er stellt den Ordner in das Regal. Irgendwie ist ihm feierlich zumute. Nicht, weil er heute achtzehn geworden ist. Es ist, weil er jetzt weiß, dass der Ordner fertig ist. Morgen Abend, wenn seine Eltern ins Theater gehen, wird er ihn im Kamin verbrennen. Und dann wird er vergessen, wie er und dieser Junge sich um die Autogrammkarte gestritten haben. Er wird nicht mehr davon träumen, wie er ihm die Karte entrissen und ihn geschubst hat. Er wird vergessen, wie Florian ihn anstarrte, als er ins eiskalte Spreewasser fiel und unterging. Es ist vorbei.
     

Danksagung
    Dr. med. Karin Varchmin-Schultheiss von der Münsteraner Rechtsmedizin für die Einblicke und die Totenkopfzeichnung an der Wand; Bianka Olm von der Berliner Feuerwehr für die gruseligen Details bei einer
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