Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lucy's Song

Lucy's Song

Titel: Lucy's Song
Autoren: Bjorn Ingvaldsen
Vom Netzwerk:
uns, hatte die Tante gesagt. Was ich hoffte.
    Als ich hereinkam, saß Mama im Bett. Sie blätterte in einer Zeitung. Zuerst erzählte ich ihr vom Krankenwagen und all dem Blut. Dann erzählte ich ihr von dem Fahrer des kleinen Autos, der es beinahe nicht geschafft hätte, aus der Parklücke herauszukommen.
    »Das ist nicht immer so einfach«, sagte Mama. »Ich hatte auch immer Probleme beim Parken, dachte, das Auto wäre viel größer als es wirklich war.«
    Dann erzählte ich von der Frau im roten Cabrio.
    »Wenn wir so ein Cabrio hätten«, sagte ich.
    Mama lächelte.
    »Das wäre was«, sagte sie. »Aber ich weiß nicht, was wir damit anfangen sollten. Normalerweise ist doch nur Platz für zwei Personen in so einem echten Cabrio, oder? Und wir sind drei. Vielleicht könntest du im Kofferraum liegen?«
    Wir mussten beide lachen.
    »Es war eine Frau, die ihn gefahren hat«, sagte ich. »Du bist jetzt siebenunddreißig, genau wie die Frau in dem Lied. Träumst du davon, in einem Cabrio durch Paris zu fahren?«
    »Nicht eine Sekunde lang«, sagte Mama. »Daran habe ich nicht im Traum gedacht.«
    »Und würdest du es nicht machen, wenn du es machen könntest?«
    Wieder lächelte Mama.
    »Doch, das wäre schon toll«, sagte sie. »Paris, ja. Ich war vor vielen Jahren dort. Mit zwei Freundinnen sind wir durch Europa gefahren. Den ganzen Sommer über. In Paris kamen wir frühmorgens an. Alles war noch geschlossen, und wir wussten nicht, was wir tun sollten. Also nahmen wir einfach unsere Rucksäcke und gingen los. Plötzlich kamen wir an die Seine, den Fluss, der durch die Stadt fließt. Und von dort entdeckten wir den Eiffelturm, der von der Morgensonne angestrahlt wurde. Das war ein fantastischer Moment. Das würde ich gern noch einmal erleben.«
    »Vielleicht werde ich Krankenwagenfahrer«, sagte ich.
    »Aber nicht in Paris?«
    »Nein, hier. Können denn Norweger in Paris einen Krankenwagen fahren?«
    »Schon möglich, wenn sie sich sehr gut in der Stadt auskennen.«
    »Und Französisch sprechen können.«
    »Ja, das auch.«

I
ch fuhr mit dem Fahrrad nach Hause. Meine Tante fragte mich, ob ich bei Freunden gewesen sei. Sie war der Meinung, dass ich nicht so oft im Krankenhaus sein sollte, weil sie befürchtete, das würde Mama zu sehr anstrengen. Und dass es zu viel für mich wäre. Doch ich hatte keine Lust, mit meinen Freunden zusammen zu sein. Jetzt nicht. Alles war so anders für mich. Und für sie nicht. Sie machten das, was sie immer gemacht hatten, dachten sicher nicht einmal darüber nach. Ich wartete die ganze Zeit, dass einer mich mal fragen würde, was mit meiner Mutter war. Wie es ihr ging. Und war enttäuscht, dass niemand fragte. Gleichzeitig fürchtete ich die ganze Zeit diese Fragen, hatte Angst, dass sich jemand Sorgen machen würde. Hatte Angst, ich könnte falsch antworten. Hatte Angst, dass ich ihnen leidtun könnte. Sie war diejenige, die krank war, nicht ich. Sie war es, die einem leidtun konnte. Ich war vollkommen gesund.
    Die Tante hatte Makkaroni mit Hackfleischsoße gekocht. Mein Onkel saß in der Küche und versuchte ein Radio für mich zu reparieren.
    »Schaffst du das?«, fragte ich.
    Er nickte und brummte, zwischen den Lippen mehrere Schrauben.
    Die Tante stellte das Essen auf den Tisch. Lucy hatte schon gegessen. Sie war etwas unruhig gewesen, erzählte die Tante. Dann ist es am besten, ihr etwas zu essen zu geben; sie wird ruhiger, wenn sie gegessen hat.
    Der Onkel schob den Radiostecker in die Steckdose in der Wand. Es war etwas zu hören.
    »Eine Sicherung war kaputt«, sagte er. »Jetzt könnt ihr das Radio hier in der Küche haben. Als Ersatz für das andere, das im Krankenhaus ist.«
    »Bleibst du heute Abend hier?«, fragte ich meine Tante.
    Sie nickte.
    »Ich bleibe bis zwölf Uhr. Dann kommt eine Frau von der Krankenpflege, die bis morgen früh bleibt. Bis Lucy geht.«
    »Ich mag nachts nicht aufstehen und aufs Klo gehen, wenn die hier sind«, sagte ich. »Die von der Krankenpflege. Die fragen mich immer, ob etwas nicht in Ordnung ist oder ob ich etwas brauche. Obwohl ich doch nur aufs Klo gehen will.«
    »Die meinen es ja nur gut«, sagte die Tante. »Die wollen sich nur um dich kümmern.«
    Ich nickte.
    »Schon, aber das ist trotzdem nervig«, sagte ich.
    »Na klar«, sagte der Onkel. »Aber denk immer dran, du bist derjenige, der hier wohnt. Du bist der Chef. Wenn du aufs Klo musst, dann musst du eben aufs Klo.«
    »Ich ziehe mich immer erst an, wenn ich aufs Klo gehen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher