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Lucy's Song

Lucy's Song

Titel: Lucy's Song
Autoren: Bjorn Ingvaldsen
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schön, das alles zu sehen«, sagte die Tante. »Ich wünschte nur, wir hätten die Zeit, auch noch überall hineinzugehen. In die Kathedrale Notre Dame und den Louvre zum Beispiel.«
    »Vielleicht können wir das heute Nachmittag machen«, sagte ich. »Das ist gar nicht so weit weg vom Hotel.«
    Die Tante und ich stellten uns in die Schlange zum Fahrstuhl, der den Eiffelturm hochfuhr. Mama setzte sich auf eine Bank, mit Lucy im Rollstuhl gleich neben sich. Auf dem Weg den Turm hinauf konnten wir sie sehen. Wir winkten, doch dass konnte Mama von ihrer Bank aus nicht erkennen. Von der Spitze aus hatten wir einen Blick über die ganze Stadt.
    »Kannst du das Hotel entdecken?«, fragte ich die Tante.
    »Nein, wenn man so weit oben ist, wird alles irgendwie zu einer einzigen grauen Masse«, antwortete sie. »Und dreihundert Meter, das ist schon schrecklich hoch. Nur gut, dass wir nicht all die Treppenstufen hinaufgehen mussten.«
    »Auf der Erde sind dreihundert Meter nicht viel«, erwiderte ich. »Die kannst du in wenigen Minuten abgehen.«
    »Schon komisch«, meinte Tante darauf. »Die Dinge verändern sich, wenn man sie auf eine andere Art und Weise ansieht.«
    Wir beschlossen, unsere Mittagspause im Park am Eiffelturm zu machen. Mama hatte eine Decke mitgenommen. Die legte ich jetzt auf den Rasen und half Lucy, sich draufzusetzen. Sie wurde müde, wenn sie so lange im Rollstuhl sitzen musste. Die Tante ging zu einem Kiosk und kaufte Würstchen und Hamburger. Ein Mann mit einem großen Kasten vor dem Bauch kam zu uns und verkaufte uns Limonade- und Wasserflaschen. Mama machte Fotos von Lucy auf der Decke mit dem Eiffelturm im Hintergrund. Zwei Frauen in langen Röcken kamen und wollten uns etwas fragen. Sie zeigten uns irgendeinen Schmuck. Sicher wollten sie Geld dafür. Erst als die Tante wütend wurde, gaben sie auf. Dann versuchten sie, Lucy etwas zu verkaufen. Da kam ein fremder Mann und jagte sie weg. Er sagte etwas zu uns auf Französisch, wir lächelten und sagten »thank you«.
    Mama sagte, es sei herrlich, hier so zu sitzen und all die Leute anzuschauen. Ich ging zu einem Kiosk und kaufte für uns alle vier ein Eis.
    »Es sind Tage wie dieser, an die wir uns erinnern, so lange wir leben«, meinte die Tante. Sie warf Mama einen schnellen Blick zu. Mama sagte nichts.
    »Ich will mal sehen, ob ich einen Kiosk finde, der Postkarten verkauft«, sagte ich. »Ich will welche an einige aus der Klasse schicken, damit sie sehen, dass ich wirklich in Paris bin.«
    »Vergiss nicht, gleich nach Briefmarken zu fragen«, sagte Mama.
    »Und kauf mir auch zwei«, sagte die Tante.
    »Und eine für mich«, fügte Mama noch hinzu, »ich muss docheine an meine Arbeit schicken. Schließlich haben die Leute dort uns die Reise spendiert.«
    Ich suchte ein paar Karten mit Eiffelturm und Triumphbogen heraus. Der Mann im Kiosk zählte sie durch.
    »Do you sell …« Mir fiel nicht ein, was Briefmarke auf Englisch hieß.
    »Frimerker«, sagte der Mann auf Norwegisch.
    »Sprechen Sie Norwegisch?«
    Er erklärte mir auf Englisch, dass zu ihm Touristen aus der ganzen Welt kamen. Von denen hatte er viele Worte in den verschiedensten Sprachen gelernt. Er zeigte auf einzelne Dinge im Kiosk und sagte ihre norwegischen Namen.
    »Aber woher haben Sie gewusst, dass ich aus Norwegen bin?«, fragte ich.
    »Das habe ich an deinem Akzent gehört.«
    Und dann demonstrierte er mir noch, wie es sich anhörte, wenn Menschen aus anderen Ländern Englisch oder Französisch sprachen.
    »Das ist ja beeindruckend«, sagte Mama, als ich ihr von dem Kioskverkäufer erzählte.
    Die Tante hatte einen Kugelschreiber in der Tasche. Bevor wir weitergingen, schrieben wir unsere Karten. Der Mann im Kiosk winkte, als wir vorbeigingen.
    Ich ging mit der Tante zur Kathedrale Notre Dame, während Mama und Lucy im Hotel blieben. Die Kirche war riesig und etwas unheimlich. Ich dachte an den Film vom Glöckner von Notre Dame. Drinnen war es unglaublich hoch bis zur Decke.
    »Warum stehen hier brennende Kerzen vor den Figuren?«, fragte ich.
    »Ich weiß nicht. Die Figuren, das sind sicher Heilige. Und man zündet Kerzen an, wenn man vor ihnen betet.«
    »Kann man nicht beten, ohne eine Kerze anzuzünden?«
    »Doch, sicher. Ich weiß nicht so genau. Aber es gibt bestimmt einen Grund dafür.«
    »Was glaubst du, wofür beten sie?«
    »Vielleicht um viel Geld? Oder darum, dass Kranke wieder gesund werden.«
    »Glaubst du das?«
    »Ja, für irgendwas müssen sie ja beten. Ich
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