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Lucian

Lucian

Titel: Lucian
Autoren: Isabel Abedi
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Zwei Personen, für eine Nacht.«
    »Einen Augenblick bitte, Mrs Wolff.«
    Ich hörte Schritte. Es war ein trippelndes Klackern, das näher kam. Jemand setzte sich neben mich. Ich fühlte, wie sich das Polster unter mir bewegte. Ich roch Haarspray und Lavendel. Ich spürte eine Hand, die meinen Arm tätschelte. Die Stimme, uralt und brüchig, übertönte die von Janne, obwohl sie viel leiser war.
    »Sie sagen, alles wird gut«, klang es an meinem Ohr. »Aber sie haben keine Ahnung, wovon sie sprechen, nicht wahr? Woher sollten sie es auch wissen? Sie konnten ja nicht ahnen, dass Jim gar nicht im Bunker war.«
    Ich sah eine faltige Hand mit pink lackierten Fingernägeln. An den Fingern steckten Ringe. Sie glitzerten wie die Augen der alten Frau, die mich jetzt aus ihrem verrunzelten Gesicht ansah. Sie zog ein Taschentuch hervor und reichte es mir. Es war hellgrün und mit kleinen roten Punkten gemustert. Nein, keine Punkte. Es waren Rosen. Lauter kleine rote Rosen.
    »Was soll das heißen?« Die Stimme meiner Mutter drang wieder in mein Bewusstsein. Sie protestierte aufgeregt. »Das Zimmer wurde gestern gebucht, ich bestehe darauf, dass Sie uns . . .«
    »Natürlich, Madame, natürlich! Geben Sie mir bitte nur noch eine kleine Sekunde.«
    Jetzt erklang wieder die flatterige, alte Stimme der alten Frau: »Du kannst das Taschentuch behalten, Liebes. Weißt du nicht mehr, was Grandma Betty immer sagte? ›Manchmal braucht man im Leben ein Taschentuch.‹ Das hat sie gesagt. Und das ist wahr, oder?« Die alte Frau blinzelte mich an. Plötzlich sah sie verwirrt aus. »Bist du May?«, fragte sie. »Liebes, du darfst nicht so weinen. Das bringt dir deinen Jim nicht zurück.« Sie tätschelte abermals meine Hand.
    Eine jüngere Frau beugte sich zu ihr herunter. »Nein, Mum, das ist nicht May«, sagte sie sanft und nahm die alte Frau an der Hand.»Komm jetzt. Ich bring dich auf dein Zimmer.«
    Sie half der alten Frau hoch. »Bitte entschuldigen Sie die Störung«, sagte sie. »Meine Mutter ist noch etwas verwirrt von der langen Reise.«
    Ich klammerte mich an das Taschentuch, als ich den beiden hinterhersah. Ich konnte es nicht hochheben. Das Weinen war so anstrengend.
    Die Männerstimme ertönte wieder, ruhig und von professioneller Höflichkeit. »Ich bin untröstlich, Miss Wolff, aber es gab offensichtlich ein Missverständnis mit der Buchung. Auf Ihren Namen ist nichts registriert. Wir können Ihnen aber die Paris Violets Suite oder die Old English Suite anbieten. Die Differenz geht natürlich auf Kosten des Hauses. Wenn Sie also einverstanden sind . . .«
    »Kein Problem.«
    »Wünscht die Dame dann die Paris Violets oder die Old English . . .«
    »Es ist mir völlig gleichgültig! Ich möchte einfach nur auf ein Zimmer,egal welches, Hauptsache sofort. Meiner Tochter geht es nicht gut, könnten Sie sich bitte einfach beeilen?«
    »Selbstverständlich, Madame. Hier ist Ihr Schlüssel und gleich da vorne finden Sie den Aufzug. Ihre Suite ist im siebten Stock.«
    Meine Mutter kam auf mich zu. »Komm, Wölfchen. Komm hoch. Ich helfe dir. Komm, ich bring dich zum Aufzug, es sind nur ein paar Schritte.«
    Der Teppich war orangefarben mit grünen Ahornblättern und das Weinen war so anstrengend.
    Ein kurzes Klingeln ertönte, zwei Türen öffneten sich. Um mich herum waren Spiegel, an der Seite lauter Knöpfe. Etwas klackte. Die Aufzugtüren schlossen sich. Meine Mutter legte beide Arme um mich. Der Schweißgeruch war jetzt stärker als das Parfüm.
    Der Aufzug setzte sich in Bewegung. Wir fuhren hoch. Mir wurde schwindelig, ich spürte, wie mir schlecht wurde. Ich musste, ich musste . . . Ich beugte mich vornüber und übergab mich.
    »Mein Schatz, mein Liebling, es ist gut. Mach dir keine Sorgen. Das macht jemand weg. Komm, wir sind da. Lehn dich an mich. Ja, so ist es gut, einen Schritt vor den anderen.«
    Wieder ertönte das Klingeln. Hinter mir schlossen sich die Türen des Aufzugs.
    Meine Beine gaben auf, ich sackte nach unten. Der Teppich war dick und weich und blau. Meine Mutter ging neben mir in die Knie, dann spürte ich ihre Arme unter meinem Rücken und in den Kniekehlen. Sie keuchte. Ich wurde in die Luft gehoben.
    »Es wird alles gut, mein Liebling! Ich trag dich. Leg deine Arme um meinen Hals.«
    Ihre Haare kitzelten mich an der Wange. Ich schlang meine Arme ganz fest um sie.
    Ich roch Reinigungsmittel . . . Ich roch gebratenen Speck . . . Ichhörte Musik . . . Ich hörte Stimmen. Eine Frau. Einen Mann. Er fragte:
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