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Lucian

Lucian

Titel: Lucian
Autoren: Isabel Abedi
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mich zu erinnern. Ich war immer in Rebeccas Nähe, von ihrem ersten Atemzug an. Ich war im Krankenhaus, als Rebecca fast gestorben wäre. Sie nannte mich Lu. Ich weiß jetzt auch, was ich in diesem Raum, von dem ich Ihnen erzählte, getan habe. Ich wollte Ihre Tochter nicht töten. Ich habe versucht, ihr Leben zu retten. Und genau das will ich auch diesmal tun. Es wird wieder passieren, Frau Wolff. Und deshalb muss ich bei ihr sein. Ich bitte Sie. Ich flehe Sie an. Wenn Sie Ihre Tochter lieben, dann lassen Sie mich bei ihr bleiben.«
    Jannes Hand an meinem Arm fing an zu zittern. Dads Hand fing an zu zittern. Der Glücksschwamm von Spatz strahlte im Gras wie ein Stern.
    Es hatte geholfen. Lucian hatte es geschafft. Sie glaubten ihm. Wir waren endlich in Sicherheit.
    Ich schnappte nach Luft, als sich die Hände meiner Eltern wieder an meinen Armen festkrallten. Diesmal noch fester als zuvor.
    »Sie haben recht«, sagte meine Mutter fest. »Ich liebe meine Tochter. Ich liebe sie mehr als alles auf der Welt. Und wenn es nicht um Rebeccas Leben ginge, dann würde ich versuchen, Ihnen zu helfen. Sie sind krank, Lucian. Gefährlich krank und Sie sind lebensgefährlich für meine Tochter. Rebecca glaubt Ihnen. Sie liebt Sie und sie würde überall mit Ihnen hingehen. Aber ich werde nicht zulassen, dass ihr etwas geschieht. Und Alec auch nicht. Zweifeln Sie niemals daran, dass wir alles tun werden, um unser Kind von Ihnen fernzuhalten.«
    Mit diesen Worten schleiften Janne und Dad mich zum Auto, schneller und immer schneller jetzt.
    Lucian rannte hinter uns her. Ich sah sein Gesicht, ich sah seine verzweifelte Bemühung, sich unsichtbar zu machen, und ich sah, dass es ihm nicht gelang. Sein ganzer Körper zitterte, und je angestrengter er versuchte, sich unter Kontrolle zu bekommen, desto mehr scheiterte er.
    Dad und Janne zerrten mich in den Wagen. Es war ein roter Minivan. Auf der Beifahrertür war eine gelbe Sonne mit der Aufschrift Sunnycars.
    Dad knallte die Tür zu, dann schnellte er zu Lucian herum und packte ihn am Genick. Janne startete den Wagen.
    Ich sah Sebastian, der jetzt am Arm meines Vaters zerrte. Ich sah Michelle, die Val auf dem Arm hielt und stumm auf Lucian schaute. Ich sah Faye, die den Mund öffnete und etwas rief, das ich nicht verstand.
    Ich sah Lucians Gesicht. Dad hielt ihn immer noch am Genick fest. Lucians Blick hielt mich fest. Er weinte.
    Dann drückte Janne aufs Gaspedal und raste mit quietschenden Reifen davon.

EINUNDVIERZIG
    Das Hotel lag in Beverly Hills. Es war ungefähr so hoch wie das Hotel Atlantic in Hamburg. Aber es war nicht weiß, sondern rosafarben und hatte Türme, Erker und Zinnen, die es wie ein kitschiges Schloss aussehen ließen. Es hätte auch in Disneyland stehen können. Ein dunkelbraunes Holzschild begrüßte mit goldener Schnörkelschrift die Gäste.
    Welcome at the Old World Hotel.
    Durch eine Allee von Palmen und vorbei an blühenden Büschen fuhr Janne die Auffahrt entlang zum Eingang. Ein Portier in einer dunkelblauen Uniform trat vor und öffnete meiner Mutter die Wagentür. Sie stieg aus und kam zu mir gerannt, um mir beim Aussteigen zu helfen.
    Wie lange wir gefahren waren, wusste ich nicht. Vielleicht eine halbe Stunde. Kein Stau und keine rote Ampel hatten uns aufgehalten. Nur mein Weinen hatte meine Mutter irgendwann langsam fahren lassen. Es musste anstrengend für sie gewesen sein. Es war anstrengend für mich.
    Kurz nachdem wir losgefahren waren, hatte es angefangen. Und es hörte nicht auf. Ich konnte meine Beine nicht bewegen, das Weinen nahm meine ganze Kraft in Anspruch. Meine Mutter musste meinen Arm um ihre Schulter legen und mich aus dem Wagen ziehen. Ihr Parfüm übertönte den Schweißgeruch. Ihr Körper war warm. An sie gelehnt, taumelte ich in die Empfangshalle.
    Ein Kaminfeuer prasselte. Auf gepolsterten Sesseln saßen alte Damen und tranken Tee. An der Rezeption stand eine große Glasvase mit Lilien. Der Duft war schwer und süß.
    Janne führte mich zu einem weichen Sofa aus rotem Samt. Behutsam nahm sie meinen Arm von ihrer Schulter und half mir, mich zu setzen. Es dauerte ein paar Sekunden.
    Das Weinen schüttelte mich wie ein Beben, ich konnte nichts dagegen tun.
    An einer Wand hingen Ölgemälde in schweren Goldrahmen. Teetassen klirrten. Das Geräusch einer Klingel ertönte. Es war ein freundlicher, warmer Ton.
    »Guten Abend, Madame, wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Mein . . . mein Mann hat ein Doppelzimmer gebucht. Auf den Namen Wolff.
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