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Lovers (German Edition)

Lovers (German Edition)

Titel: Lovers (German Edition)
Autoren: Eden Bradley
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Zusammen mit zwei Professoren zu leben, bedeutete für mich als Kind eine Existenz in der Isolation. Selbst die Mahlzeiten verbrachten wir alle mit einem Buch vor der Nase. Das ist vermutlich der Grund, warum ich heute über so wenig Sozialkompetenz verfüge. Und das wiederum ist ein Grund, warum ich hergekommen bin. Weil ich diese Sachen lernen will. Aber das Gespräch geht schon wieder in eine andere Richtung, und die Anspannung am Tisch weicht.
    “Ich habe mir überlegt, wir sollten einen Mary-Shelley-Abend veranstalten”, regt Viviane in diesem Augenblick an. “Ihr wisst schon, wir sitzen die ganze Nacht beisammen, trinken Wein und schreiben die düstersten Geschichten, die uns einfallen.”
    “Und inwiefern unterscheidet sich das von dem, was wir immer machen?”, fragt Kenneth und lacht.
    “Gar nicht, das ist mir schon bewusst. Aber es wäre ein Abkommen, das wir treffen. Vielleicht schreiben wir auch jeder für sich seine Version von Frankenstein ? Oh, ich fände es herrlich, Frankensteins Liebesgeschichte zu schreiben. Er war immer so eine tragische Figur.”
    “Er ist ein Ungeheuer, Viv”, erinnert Audrey sie. “Er muss also tragisch sein.”
    “Ja, aber jedes Ungeheuer verdient auch Liebe. Sieh dir nur mal Die Schöne und das Biest an.”
    “Du bist eine hoffnungslose Romantikerin”, bemerkt Patrice.
    “Das stimmt.” Viviane lächelt sie an und tätschelt Patrices Hand. Patrice runzelt die Stirn, aber als sie den Blick abwendet, sehe ich, wie sie ein leises Lächeln hinter ihrer Serviette verbirgt.
    Das Abendessen vergeht mit Gesprächen, die immer wieder abschweifen. Das Essen ist wunderbar, vielleicht gibt’s ein bisschen zu viel Wein für mich. Danach helfen wir alle, die leeren Teller in die große Küche zu bringen, aber Viviane scheucht uns nach draußen. Außer Patrice darf ihr niemand beim Abwasch helfen. Kenneth setzt sich mit einer Pfeife in einen Sessel auf dem Patio, und Sid sinkt wie ein riesiger Fellhaufen neben ihn auf die Terrakottafliesen.
    “Wollen wir zum Strand gehen, Bettina?”, schlägt Audrey vor und nimmt meine Hand. Ihre ist ganz klein und vogelgleich, die Knochen so zart, dass ich das Gefühl habe, ich könnte sie ohne Probleme zerdrücken.
    “Hm, ich weiß nicht. Es ist schon dunkel.”
    “Es gibt genug Licht vom Haus und vom Verandalicht deines kleinen Cottages. Und du warst noch nicht am Strand. Komm schon.”
    “Also gut. Ich glaube, das wäre … schön.”
    “Wir nehmen das hier aber mit.”
    Sie schnappt sich eine Flasche Rotwein von der Kücheninsel und marschiert aus der Hintertür. Ich folge ihr um das Haus und den Kiesweg zwischen meiner Hütte und der anderen hindurch. Das zweite Cottage liegt still und dunkel da. Ein Halbmond hängt am Himmel, und sein silberner Schimmer wird vom Wasser reflektiert und spendet genug Licht, dass wir zum Strand finden. Es ist nicht annähernd so dunkel, wie ich es befürchtet habe. Audrey ist eine schwarze Silhouette vor mir, und wir stapfen über die Dünen. Ihre weiße Shorts ist in der Dunkelheit gut zu sehen.
    Sie bleibt irgendwo stehen und lässt sich in den Sand plumpsen. Ich setze mich etwa einen halben Meter von ihr entfernt neben sie und starre aufs Wasser hinaus. Es sieht aus wie Tinte, im Dunkeln sind die Schaumkronen kaum zu erahnen. Das Rauschen ist herrlich, so belebend. Die Wellen rollen heran und brechen am Strand. Der Ozean ist so kraftvoll, so lebendig.
    Ebenso lebhaft bin ich mir Audreys Nähe bewusst. Ihre langen, nackten Beine hat sie ausgestreckt.
    “Ich liebe diesen Ort”, erklärt sie.
    “Ich glaube, das werde ich auch.”
    Ich bin entspannter, als gut für mich ist. Zu viel Wein. Oder vielleicht gerade genug Wein. Audrey nimmt einen Schluck aus der Flasche und gibt sie an mich weiter. Ich nehme einen vorsichtigen Schluck. Der Cabernet ist für meinen Geschmack etwas zu stark und zu vollmundig. Aber er schmeckt. Ich ziehe die Sandalen aus und vergrabe meine Zehen tief im dunklen Sand. Unter der Oberfläche ist der Sand feucht und etwas kalt, aber auf der erhitzten Haut fühlt sich das gut an.
    “Erzähl mir von deinem Leben, Audrey.”
    “Was möchtest du denn gerne wissen? Ich erzähle dir, was du willst. Alles, meine liebe Bettina.”
    Sie ist ein bisschen betrunken. Aber das bin ich auch.
    “Erzähl mir von deiner Familie.”
    “Wirklich? Möchtest du nicht viel lieber alles über meine schmutzige, sexuelle Vergangenheit hören?”
    Ich lache. “Vielleicht später.”
    Sie seufzt,
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