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Love Train

Love Train

Titel: Love Train
Autoren: Katrin Lankers
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ganzen Fahrt an nichts anderes denken konnte, als dass ich am Ende vermutlich flach wie eine Flunder gedrückt war und platt auf den Bürgersteig kippen würde, weil mich von vorn ein Typ im hautengen Catsuit mit seinem kugelrunden Bauch an die Haltestange drängte und mein steinschwerer Rucksack mir das Ausweichen nach hinten unmöglich machte.
    Â»Cool, schau mal«, hörte ich Juli alle paar Minuten rufen. Leider war der Catsuit-Typ so hoch wie rund und versperrte mir jegliche Aussicht. Also zählte ich stumm die Haltestellen mit und drängelte mich an der sechsten zur Tür.
    Draußen waren fast ebenso viele Menschen unterwegs wie am Bahnhof. Wir überquerten eine Brücke, unter der das Wasser in einer der Amsterdamer Grachten träge dahinfloss. Ich fragte mich, wie Juli es schaffte, mit ihren Pfennigabsätzen auf dem Kopfsteinpflaster zu laufen, ohne umzuknicken, und dabei noch so grazil auszusehen wie ein Model auf dem Laufsteg. Ich hingegen bekam das bloße Laufen mit meinen Sneakers kaum hin. Noch eine Brücke, dann erreichten wir die Leidsegracht , an der die Jugendherberge liegen sollte. Ich ließ meinen Blick über die Backsteinbauten mit den Treppengiebeln wandern und entdeckte auf unserer linken Seite ein wirklich sehr schmales Haus mit auffallend roten Fensterläden, über dessen Eingangstür ein Schild mit ebenfalls roter Schrift verkündete, dass wir hier richtig waren: »Hostel«.
    Â»Süß!«, trällerte meine Schwester und steuerte auf die dunkle Holztür zu. Und »süß« war das Wort, das sie in der nächsten Viertelstunde etwa hundert Mal benutzte. Der Typ an der Rezeption war »süß«, der Aufenthaltsraum mit den ausgesessenen Ledersofas war »süß«, die Bettdecken in unserem Zimmer, auf denen in Englisch, Französisch und Holländisch »Gute Nacht« stand, waren ebenfalls »süß«. Sogar die gelb gestrichenen, abschließbaren Schränke, Modell Schwimmbadumkleide, waren »süß«.
    Mir hingegen stieß ziemlich sauer auf, dass wir unser Zimmer, das ebenfalls kaum größer war als eine Umkleidekabine, mit zwei weiteren Mädels teilen sollten. Das war mir vorher nicht klar gewesen und ich ärgerte mich, denn eigentlich habe ich beim Schlafen gern meine Ruhe. Auf den beiden belegten Betten stapelten sich Klamotten, ansonsten war von unseren Mitbewohnerinnen nichts zu sehen.
    Â»Na komm, Lena, zieh nicht so ein Gesicht.« Meine Schwester warf ihren Rucksack auf das freie Bett an der Wand – damit blieb für mich eins in der Raummitte – und fing sofort an, in ihren Sachen zu wühlen. Nach kürzester Zeit hatte sie ein gepunktetes Vintagekleid übergestreift, das sie mit einem breiten Gürtel in der Taille schnürte, dazu kombinierte sie eine riesige Sonnenbrille und schlüpfte in grüne Lederstiefeletten mit allgemeinverträglichen Absätzen. Selbst meine Schwester gab sich anscheinend dem Kopfsteinpflaster geschlagen.
    Â»Los«, drängte sie. »Oder willst du in dieser Besenkammer versauern?« So viel zum Thema »süß«.
    Â»Schon gut.« Ich verstaute meinen Rucksack ungeöffnet unter dem Bett, denn ich fand eigentlich nicht, dass man nach einem halben Reisetag bereits das Outfit wechseln musste.
    Ohrenbetäubende Technobeats schallten uns entgegen, als wir wieder vor das Hostel traten. »Die Canal Parade hat schon angefangen«, jubelte meine Schwester und eilte die Straße hinunter zur Prinsengracht , wo sie sich durch die Schaulustigen bis an den Rand der Gracht drängelte. Noch immer etwas grummelig, weil sie mir vorher nichts davon gesagt hatte, was mich hier in Amsterdam erwartete, bahnte ich mir einen Weg zu Juli.
    Die Beats dröhnten von einem Boot, auf dem eine bunte Truppe in hautengen Leoprintanzügen abtanzte. Ihre Körper zuckten so ekstatisch, dass ich Sorge hatte, einige von ihnen würden gleich über Bord gehen. Das Schiff fuhr vorbei und als nächstes folgte eines mit schwarz gekleideter Besatzung.
    Im Bug stand eine einsame Sängerin in löchrigen Netzstrümpfen, kniehohen Stiefeln und Lackmontur, die Haare einen halben Meter hochtoupiert und das Gesicht weiß geschminkt. Mit unfassbar tiefer Stimme röhrte sie ins Mikro. War das etwa ein Mann?
    Auf dem nächsten Schiff befanden sich mehrere Zweimetergrazien in barocken Rüschenkleidern und mit weiß gepuderten
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