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Love Story: Roman (German Edition)

Love Story: Roman (German Edition)

Titel: Love Story: Roman (German Edition)
Autoren: Erich Segal
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hergefallen sind.»
    «Stimmt. Und dann hab ich die Strafzeit gekriegt. Fünf Minuten!»
    «Ja.»
    Der Unterschied zwischen einer Freundin und einer Anhängerin ist der, daß einem bei der letzteren sehr rasch der Gesprächsstoff ausgeht.
    «Ist Jenny fertig mit Telefonieren?»
    Sie warf einen Blick auf ihren Klappschrank und antwortete: «Nein.»
    Mit wem konnte Jenny sprechen, der so viel wert war, daß ihm etwas von der für mich reservierten Zeit bewilligt wurde? Irgendein Musiker-Knilch? Es war mir nicht unbekannt, daß Martin Davidson, ein höheres Semester im Adams House und Dirigent des Orchesters der Bach-Gesellschaft, sich einbildete, ein Anrecht auf Jenny zu haben. Nichts Körperliches; ich glaube nicht, daß dieser Pinsel mehr schwingen konnte als seinen Dirigentenstab. Jedenfalls wollte ich dem ein Ende machen, daß einer meine Zeit stahl.
    «Wo ist die Telefonzelle?»
    «Um die Ecke.» Sie zeigte mir die genaue Richtung.
    Ich schlenderte in die Halle. Von weitem sah ich, wie Jenny am Telefon hing. Sie hatte die Zellentür offengelassen. Ich ging langsam, gleichmütig und hoffte, sie werde mich mit all meinen Wunden erblicken, daraufhin den Hörer hinknallen und sich in meine Arme stürzen. Als ich näher kam, konnte ich Bruchstücke ihres Gesprächs hören.
    «Ja, natürlich. Aber und wie! Ach, ich auch, Phil. Ich habe dich auch lieb!»
    Ich hörte auf, gleichmütig zu schlendern. Mit wem sprach sie? Es war nicht Davidson – bei dem gab es nirgends im Namen ein «Phil». Ich hatte ihn längst im Klassenregister nachgeschlagen: Martin Eugene Davidson, 70, Riverside Drive, New York, Hochschule für Musik und Künste. Sein Foto ließ vermuten, daß er sensibel und intelligent war und ungefähr fünfzig Pfund weniger wog als ich. Aber warum machte ich mir Sorgen wegen Davidson? Er und ich wurden ganz offenbar von Jennifer Cavilleri abgehängt zugunsten von jemandem, dem sie just in diesem Augenblick Küsse durchs Telefon zuhauchte. (Wie unfein!)
    Kaum war ich 48 Stunden außer Sicht, und schon war irgendeine Flasche namens Phil mit Jenny ins Bett gekrochen. (Nur das konnte es sein!)
    «Ja, Phil, ich hab dich auch lieb. Wiedersehen!»
    Beim Einhängen sah sie mich und, ohne auch nur zu erröten, lächelte sie und warf mir eine Kußhand zu. Wie konnte man nur so falsch sein?
    Sie küßte mich flüchtig auf die unverletzte Backe.
    «Grüß dich. Du siehst ja furchtbar aus.»
    «Ich bin verletzt, Jen.»
    «Sieht der andere noch schlimmer aus?»
    «O ja. Viel. Ich sorge immer dafür, daß der andere noch schlimmer aussieht.»
    Ich betonte das, so drohend ich konnte, um dadurch anzudeuten, daß ich jeden Rivalen zu Boden schlagen würde, der mit Jenny ins Bett kroch, sobald ich aus den Augen und offenbar auch aus dem Sinn war. Sie griff nach meinem Ärmel, und wir gingen zur Tür.
    «Nacht, Jenny», rief die Telefonbiene.
    «Nacht, Sara Jane», rief Jenny zurück.
    Als wir draußen waren und gerade in meinen MG steigen wollten, füllte ich meine Lungen mit einem tiefen Zug voll Sauerstoff und stellte meine Frage so beiläufig ich konnte.
    «Sag mal, Jen …»
    «Ja?»
    «Eh – wer ist Phil?»
    Sie antwortete ganz sachlich, während sie in meinen Wagen stieg.
    «Mein Vater.»
    Ich konnte die Geschichte nicht so ohne weiteres glauben.
    «Wieso nennst du deinen Vater Phil?»
    «Er heißt so. Wie nennst du denn deinen?»
    Jenny hatte mir mal erzählt, daß ihr Vater sie großgezogen habe, irgend so ein Bäcker oder so etwas Ähnliches, in Cranston, Rhode Island. Als sie noch ganz klein war, sei ihre Mutter bei einem Autounfall umgekommen. Alles, um zu erklären, wieso sie keinen Führerschein hatte. Ihr Vater, sonst in jedem Sinne «ein wirklich prima Kerl» (ihre eigenen Worte), war fürchterlich abergläubisch, was das Fahrenlernen seiner einzigen Tochter anging. Das war ein schweres Handicap während ihrer letzten Jahre auf der Oberschule, als sie bei einem Kerl in Providence Klavierstunden bekam. Aber dafür konnte sie auf den langen Autobusfahrten den ganzen Proust lesen.
    «Wie nennst du denn deinen?» fragte sie wieder.
    Ich war dermaßen weggetreten, daß ich ihre Frage gar nicht gehört hatte.
    «Meinen was?»
    «Welchen Ausdruck verwendest du, wenn du von deinem Erzeuger sprichst?»
    Ich antwortete mit einem Ausdruck, den ich immer gern angewendet hätte.
    «Alter Schweinehund.»
    «Ihm ins Gesicht?» fragte sie.
    «Ich seh sein Gesicht nie.»
    «Trägt er eine Maske?»
    «In gewisser Hinsicht, ja.
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