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Love and Disaster

Love and Disaster

Titel: Love and Disaster
Autoren: Anna Graf
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hockenden Perspektive blickte ich gegen einen riesigen Bauch auf zwei dünnen Beinen, als ich aufstand sah ich, dass zu dem dicken Bauch ein ebenso dicker Hals und ein kleiner, vor Wut dunkelrot angelaufener Kopf gehörten.
„Der Blödmann ist bei Rot gefahren und ich wäre Ihnen fast hintendrauf gekracht“, brüllte er und seine Halsschlagader schwoll bedrohlich an.
„Sehen Sie sich doch bloß Ihr Auto an, man sollte diese Rowdys aus dem Verkehr ziehen.“
Der „Rowdy“ lag hilflos im Dreck, zitterte am ganzen Körper und flüsterte:
„Was ist denn bloß passiert, ich wollte doch nur schnell …“
Seine Stimme brach, er hatte Tränen in den Augen, und ich sah, dass er fast noch ein Kind war, im Höchstfall 15 oder 16 Jahre alt. Aus seinen zerrissenen Jeans quoll Blut und es ragte etwas heraus, was verdächtig nach einem Stück Knochen aussah. Mir wurde ein bisschen übel und ich drehte schnell den Kopf weg.
Der rotköpfige Dickbauch kriegte sich überhaupt nicht wieder ein.
„Sehen Sie zu, dass Sie die Personalien kriegen von dem, sonst können Sie die Reparaturkosten für Ihr Auto selbst zahlen. Wenn der einmal weg ist, sehen Sie den nie wieder.“
Meine Schwester Mary bemängelte immer an mir, das ich ein harmoniesüchtiger Mensch sei, der sich viel zu viel gefallen ließ, aber jetzt hätte sie ihre wahre Freude an mir gehabt. Der Kerl ging mir einfach auf die Nerven. Ich drehte mich zu ihm und fauchte:
„Rufen Sie gefälligst einen Krankenwagen, der Junge ist schwer verletzt. Und dann hören Sie auf, so herumzubrüllen, Ihnen ist doch gar nichts passiert.“
    Mittlerweile hatte sich eine kleine Menschentraube gebildet, alles glotzte, keiner half. Ich kam mir vor wie ausgestellt und hätte am liebsten alle angebrüllt. Ich lief schnell zum Kofferraum, suchte  im Verbandkasten nach Brauchbarem und einer Wärmedecke und ging wieder zu dem Jungen.
Meinen ersten und einzigen Erste- Hilfe- Kurs hatte ich mit Achtzehn absolviert, als ich den Führerschein machte, und demzufolge hatte ich keinen blassen Schimmer mehr von erster Hilfe. Ich zog meine Kostümjacke aus, faltete sie zu einem Päckchen und legte sie dem Jungen unter den Kopf. Dann deckte ich mit unsicheren Händen die Wunde ab und legte die Decke über ihn. Der Junge zitterte jämmerlich und weinte jetzt richtig. Ich hockte mich wieder neben ihn und hielt seine Hand fest.
„Der Krankenwagen kommt gleich, die kriegen das ganz sicher wieder hin im Krankenhaus“, sagte ich betont zuversichtlich. „Wie heißt du eigentlich?“
„Bernhard … Bernhard Dresen. Einfach Benni.“
„Also Benni, ich bin Carolin. Halt noch ein bisschen durch, es kann nicht mehr lange dauern.“
Zum Glück kam der Krankenwagen schnell. Der dicke Mann hatte wohl auch die Polizei gerufen, jedenfalls traf fast zeitgleich mit dem Rettungswagen auch ein Streifenwagen mit lauter Sirene und Blaulicht ein.
Ich trat zur Seite und ließ die Rettungssanitäter arbeiten.
In der Zwischenzeit nahm die Polizei meine Personalien auf, ließ sich den Unfallhergang schildern und befragte den dicken Mann als Unfallzeugen.
    Erschöpft lehnte ich mich an die zerbeulte Motorhaube meines Autos. Ich zitterte am ganzen Leib und mir war eiskalt, obwohl der Tag angenehm warm war.
„Ist alles in Ordnung mit Ihnen, oder haben Sie doch etwas abbekommen?“
Einer der Rettungssanitäter kam zu mir. Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, mir wird nur gerade richtig klar, was passiert ist, es geht gleich wieder.“
Ich sah zu dem Jungen, der auf einer Trage in den Rettungswagen geschoben wurde.
„Was geschieht jetzt mit ihm?“, fragte ich leise. „Ich mache mir solche Vorwürfe, dass ich ihn nicht hab kommen sehen.“
Der Sanitäter winkte ab.
„Machen Sie sich mal keine Sorgen, der wird wieder. Er hat eine offene Unterschenkelfraktur, das wird operiert und in ein paar Monaten wird er wieder völlig der Alte sein. Außerdem war er ja wohl selbst Schuld an dem Unfall.“
„Ich mache mir trotzdem Sorgen um ihn. Wohin bringen Sie ihn, kann ich nicht mitkommen?“
„Wir verfrachten ihn gleich in die Uniklinik, dort ist er in den besten Händen. Sie fahren jetzt aber lieber nach Hause und trinken einen Schnaps auf den Schrecken. Haben Sie jemanden, der sich um sie kümmert?“
Ich nickte und sah an mir herunter. Von meinem guten dunkelgrauen Kaschmirkostüm, welches ich extra zur Feier des Tages angezogen hatte, war nicht mehr viel übrig, die Jacke war hinüber, der Rock hatte Blut und jede Menge
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