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Lost on Nairne Island

Lost on Nairne Island

Titel: Lost on Nairne Island
Autoren: Eileen Cook
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unterbrochen, und es herrschte Stille. Das Licht flackerte und erlosch schließlich ganz. Sekunden später ging es wieder an, doch der Stromausfall hatte lange genug gedauert, um die Digitalanzeige meines Radioweckers in lauter blinkende Nullen zu verwandeln.
    Ich wusste, dass der Sturm daran schuld war, aber einen kurzen Moment lang bildete ich mir ein, das Haus wäre sauer auf mich, weil ich es beleidigt hatte.
    Ich zitterte, schüttelte das Gefühl aber rasch ab. Dann sah ich auf mein Handy und stellte fest, dass ich überhaupt keinen Empfang mehr hatte. Tja, wenn ich mein Gespräch mit Anita schon nicht fortsetzen konnte, dann konnte ich zumindest ihren Rat befolgen. Daher holte ich meinen Zeichenblock aus dem Regal und blätterte darin, bis ich eine leere Seite gefunden hatte. Anita war zwar ein bisschen exzentrisch, aber sie hatte meistens recht. Ich wollte unbedingt an der Uni Kunst studieren, und das bedeutete, dass ich mit meiner Bewerbung ein Portfolio einreichen musste, erst recht, wenn ich mir zudem ein Stipendium erhoffte. Ich würde Geld brauchen, um die Rechnungen bezahlen zu können, denn wenn Mom erst mal erfuhr, dass ich Kunst zu meinem Hauptfach machen wollte, würde sie total ausflippen. Wobei »ausflippen« bestimmt noch untertrieben war.
    Mom gab der Leidenschaft meines Dads für Kunst nämlich die Schuld an ungefähr allem. Sie betonte immer wieder gern, dass van Gogh sich sein eigenes Ohr abgeschnitten hatte und man dergleichen nie von einem Buchhalter gehört hätte. Sie wusste zwar nicht, was zuerst kam, die Kunst oder das Durchdrehen, doch wollte sie bei mir da kein Risiko eingehen. Würde es nach Mom gehen, würde ich nach der Schule brav Erziehungswissenschaften oder Wirtschaftswissenschaften studieren. Sie hält sich schon für Supermom, weil sie mir hier die Wahl lässt. Die Tatsache, dass ich in Bio letztes Jahr eine Fünf bekam und ich mit Mathe nichts am Hut habe, störte sie nicht weiter. Kunst war im Grunde eines der wenigen Fächer, in denen ich richtig gut war. Manchmal hatte ich das Gefühl, Zeichnen wäre das Einzige, was mich bei Verstand hielt. Es war fast so, als würde der Stift in meiner Hand alles viel schneller begreifen als der Rest von mir.
    Doch es half nichts, wenn ich mir jetzt darüber den Kopf zerbrach. Ich machte es mir also erneut auf dem Bett bequem und fing an, das Zimmer zu zeichnen, wobei ich mir Mühe gab, das Verhältnis der Wände zueinander sowie die tief liegenden Fenster richtig zu treffen. Ich verwischte mit dem Finger eine Bleistiftlinie, um der Ecke durch Schattierungen mehr Tiefe zu verleihen. Ich merkte, wie ich alles andere ausblendete und mich nur noch auf Stift und Papier konzentrierte. Während der Wind draußen an Tempo zulegte, verlor ich mich ganz und gar in dem Bild.
    Irgendwann musste ich dabei eingeschlafen sein.
    Das war der Moment, als ich sie sah.

5
    E in lautes Krachen riss mich aus dem Schlaf. Verwirrt richtete ich mich im Bett auf. Das Licht war aus. Einen Augenblick lang wusste ich nicht, wo ich war. Ich fühlte mich irgendwie bodenlos, als würde ich in der Dunkelheit schweben. Das Gefühl machte mich schwindelig. Also setzte ich die Füße auf den Boden. Wenn das bei Schwindelgefühl half, nachdem man zu viel getrunken hatte, half das sicher auch in meinem Fall. Als meine Füße die eiskalten Dielenbretter berührten, war ich sofort hellwach.
    Wieder ein lautes Krachen.
    Ich wirbelte herum und sah, wie ein Fenster gegen die Wand schlug. Vermutlich war der Hebel nicht richtig befestigt gewesen, sodass der Wind das Ding aufgestoßen hatte. Ein weiterer eisiger Windstoß fuhr ins Zimmer und der Vorhang blähte sich auf. Eine Sekunde war ich richtig erleichtert. Das war nur der Sturm. Dann zuckte ein Blitz über den Himmel, im Zimmer wurde es taghell. Und mit einem Mal sah ich sie da stehen.
    Sie war jung. Sie hatte die typischen Babyspeckwangen hinter sich gelassen, war aber noch nicht schlaksig in die Höhe geschossen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie mich an. Sie schien genauso überrascht wie ich, jemanden zu sehen. Sie war klatschnass. Das dunkle Haar klebte ihr am Kopf und an einer Wange hing ein Stück Seetang. Sie streckte die Hand aus, wobei sie sie abwechselnd öffnete und zur Faust ballte. Ich riss die Füße vom Boden und rutschte zurück, bis ich gegen das Kopfteil des Bettes stieß.
    Ihre Augen
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