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Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Titel: Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
Autoren: Dorothy L. Sayers
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daß ich als der Mann bekannt wurde, ›der diese nette Miss Soundso doch praktisch des Mordes verdächtigt hat‹. Einmal sollte ich die Nichte verdächtigt haben, ein andermal ›diese nette Krankenschwester – nicht das Flittchen, das entlassen wurde, sondern die andere, Sie wissen schon‹. Nach einer anderen Version soll ich versucht haben, die Schwester in Schwierigkeiten zu bringen, weil ich wegen der Entlassung meiner Verlobten sauer gewesen sei. Schließlich hörte ich sogar Gerüchte, die Patientin hätte mich dabei erwischt, wie ich mit meiner Verlobten ›herumgeknutscht‹ hätte – dieses häßliche Wort ist wirklich gefallen – anstatt meine Pflicht zu tun, und dann hätte ich die alte Dame aus Rache selbst beseitigt – nur warum ich in diesem Falle den Totenschein hätte verweigern sollen, dafür blieben die Skandalnudeln die Erklärung schuldig.
    Ein Jahr lang habe ich das durchgestanden, aber dann wurde meine Situation unerträglich. Meine Praxis hatte sich praktisch in Luft aufgelöst, weshalb ich sie verkaufte und erst einmal Urlaub machte, um den faden Geschmack aus dem Mund zu bekommen – und nun bin ich also hier und versuche von vorn anzufangen. Das war’s, und die Moral von der Geschichte ist, man soll es mit seinen staatsbürgerlichen Pflichten nicht übertreiben.«
    Der Doktor lachte böse auf und ließ sich in den Sessel zurückfallen.
    »Ich pfeife auf die Klatschmäuler«, fügte er streitbar hinzu.
    »Auf daß sie an ihrer Bosheit ersticken!« Damit leerte er sein Glas.
    »Hört, hört!« pflichtete sein Gastgeber ihm bei. Ein paar Sekunden blickte er nachdenklich ins Feuer.
    »Wissen Sie«, sagte er plötzlich, »irgendwie interessiert mich der Fall. Ich fühle so ein boshaftes Kribbeln in mir, das mir sagt, da gibt’s was zu erforschen. Dieses Gefühl hat mich noch nie getrogen – und wird es auch hoffentlich nicht. Erst neulich hat es mir gesagt, ich soll mir einmal meinen Steuerbescheid ansehen, und siehe da, ich stellte fest, daß ich in den letzten drei Jahren rund neunhundert Pfund Steuern zuviel bezahlt habe. Und vorige Woche, als ich mich von jemandem über den Horseshoe-Paß fahren lassen wollte, hat es mir eingegeben, den Kerl zu fragen, ob er auch genug Benzin im Tank habe, und er stellte prompt fest, daß er noch ungefähr einen halben Liter hatte – gerade genug, um uns halb hinüberzubringen. Es ist eine ziemlich einsame Gegend dort. Natürlich kenne ich den Mann – es war also keine reine Intuition. Trotzdem habe ich es mir zur Regel gemacht, diesem Gefühl zu folgen, wenn es mir rät, einer Sache nachzugehen. Ich glaube«, fügte er erinnerungsselig hinzu, »ich muß als Kind ein wahrer Unhold gewesen sein. Jedenfalls sind merkwürdige Fälle so etwas wie mein Steckenpferd. Übrigens bin ich nicht nur der vollkommene Zuhörer. Ich habe Sie hinters Licht geführt. ›Ich habe ein weitergehendes Motiv, sagte er, seine falschen Koteletten abnehmend, unter denen Sherlock Holmes’ unverkennbare hohle Wangen zum Vorschein kamen.‹«
    »Ich hatte allmählich auch schon meine Zweifel«, sagte der Doktor nach kurzer Pause. »Sie müssen Lord Peter Wimsey sein. Ich habe mich schon gefragt, wieso Ihr Gesicht mir so bekannt vorkam; aber natürlich, es war ja vor ein paar Jahren in allen Zeitungen, nachdem Sie das Rätsel von Riddlesdale gelöst hatten.«
    »Ganz recht. Ein dummes Gesicht natürlich, aber ziemlich entwaffnend, finden Sie nicht? Ich weiß nicht, ob ich es mir selbst ausgesucht hätte, aber ich versuche das Beste daraus zu machen. Hoffentlich wird es nur nicht mit der Zeit einem Spürhund ähnlich oder sonst etwas Unerfreulichem. Der da ist nämlich der eigentliche Spürhund – mein Freund, Kriminalinspektor Parker von Scotland Yard. Die eigentliche Arbeit tut er. Ich stelle nur schwachsinnige Vermutungen an, die er in mühsamer Kleinarbeit eine nach der anderen widerlegt. Durch dieses Eliminationsverfahren finden wir dann schließlich die richtige Lösung, und alle Welt sagt: ›Mein Gott, hat dieser junge Mann eine Intuition!‹ Also passen Sie auf – wenn Sie nichts dagegen haben, nehme ich mir den Fall einmal vor. Vertrauen Sie mir Ihre Anschrift und die Namen der beteiligten Personen an, und ich will mich gern daran versuchen.«
    Der Doktor dachte einen Augenblick nach, dann schüttelte er den Kopf.
    »Das ist sehr nett von Ihnen, aber das möchte ich wohl lieber nicht. Ich habe schon Ärger genug gehabt. Es ginge sowieso gegen die
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