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Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Titel: Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
Autoren: Dorothy L. Sayers
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waren, jetzt aber mehr und mehr in je ein halbes Dutzend ungemütliche Schuhschachteln aufgeteilt wurden, die man dann als Wohnungen vermietete.
    Lord Peter drückte auf den obersten Klingelknopf, neben dem der Name CLIMPSON stand, und lehnte sich lässig an die Wand.
    »Sechs Stiegen hoch«, erklärte er. »Da braucht sie ein Weilchen mit dem Öffnen, denn einen Fahrstuhl gibt’s nun mal nicht. Eine teurere Wohnung wollte sie aber nicht haben. Das fand sie unangemessen.«
    Mr. Parker nahm die Bescheidenheit der Dame überaus erleichtert, wenn auch etwas erstaunt zur Kenntnis und richtete sich, den Fuß leger auf dem Schuhabkratzer, geduldig aufs Warten ein. Es dauerte jedoch gar nicht lange, bis die Tür aufging und eine Dame mittleren Alters mit scharfgeschnittenem, bläßlichem Gesicht und lebhafter Erscheinung vor ihnen stand. Sie trug ein adrettes dunkles Kostüm mit hochgeschlossener Bluse und eine lange Goldkette um den Hals, an der in Abständen aller möglicher Zierat hing. Ihr eisengraues Haar wurde von einem Netz gehalten, wie sie zur Zeit des verstorbenen Königs Edward in Mode waren.
    »Oh, Lord Peter! Wie furchtbar nett, Sie zu sehen. Es ist ja ein recht früher Besuch, aber dafür werden Sie das bißchen Unordnung im Wohnzimmer gewiß entschuldigen. Bitte, treten Sie doch ein. Die Listen sind auch schon ganz fertig. Gestern abend habe ich sie abgeschlossen. Sie finden doch hoffentlich nicht, daß ich unverantwortlich lange dafür gebraucht habe, aber es waren ja so erstaunlich viele Eintragungen. Es ist ja zu nett von Ihnen, daß Sie extra vorbeikommen.«
    »Aber gar nicht, Miss Climpson. Und das ist mein Freund, Inspektor Parker, von dem ich schon gesprochen habe.«
    »Sehr erfreut, Mr. Parker – oder sollte ich wohl Inspektor sagen? Sie müssen schon entschuldigen, wenn ich danebengreife – es ist wirklich das erstemal, daß ich es mit der Polizei zu tun habe. Hoffentlich ist es nicht ungehörig, so etwas zu sagen. Bitte, kommen Sie herauf. Es sind ja leider furchtbar viele Treppen, aber das stört Sie hoffentlich nicht. Ich wohne so gerne ganz oben. Da ist die Luft soviel besser, Mr. Parker, und dank Lord Peters Freundlichkeit habe ich ja einen so schönen, luftigen Ausblick über die Dächer. Ich finde, man kann viel besser arbeiten, wenn man sich nicht so umschränkt, gepfercht und umpfählt fühlt, wie Hamlet sagt. Du meine Güte, da läßt diese Mrs. Winterbottle doch schon wieder ihren Eimer auf der Treppe stehen, und immer in der dunkelsten Ecke! Ich sage ihr das ständig. Halten Sie sich dicht ans Geländer, dann kommen Sie gut vorbei. Jetzt nur noch eine Treppe. So, da wären wir. Bitte, sehen Sie über die Unordnung hinweg. Ich finde, Frühstücksgeschirr sieht nach dem Gebrauch immer so häßlich aus – direkt schweinisch, um mal ein unschönes Wort für eine unschöne Sache zu gebrauchen. Ein Jammer, daß diese klugen Leute nicht einmal Teller erfinden können, die sich von selbst spülen und von selbst einräumen, nicht wahr? Aber nehmen Sie doch Platz; ich bin sofort wieder da. Und Sie, Lord Peter, haben doch sicher keine Hemmungen, zu rauchen. Ich mag den Duft Ihrer Zigaretten so sehr – einfach köstlich –, und Sie können ja so schön die Enden ausdrücken.«
    In Wahrheit war das kleine Zimmer natürlich tipp topp aufgeräumt, obwohl unzählige Nippesfigürchen und Photos jedes freie Fleckchen beanspruchten. Das einzige, was man als Unordnung hätte bezeichnen können, war das Frühstückstablett mit einer leeren Eierschale, einer benutzten Tasse und einem Teller voller Krümel. Miss Climpson erstickte prompt diesen Keim der Anarchie, indem sie das Tablett höchsteigenhändig hinaustrug.
    Sichtlich verwirrt ließ Parker sich behutsam auf einem kleinen Sessel nieder, den ein ebenso dickes wie hartes Kissen zierte, so daß man sich unmöglich zurücklehnen konnte. Lord Peter schlängelte sich auf den Fenstersitz, zündete sich eine Sobranie an und legte die Hände auf die Knie. Miss Climpson, die aufrecht am Tisch saß, strahlte ihn mit einer Freude an, die einfach rührend war.
    »Ich habe mich sehr eingehend mit all diesen Fällen befaßt«, begann sie, indem sie einen dicken Packen maschinebeschriebener Blätter zur Hand nahm. »Ich fürchte, meine Notizen sind wirklich sehr umfangreich, und hoffentlich finden Sie die Schreibkosten nicht zu hoch. Meine Handschrift ist sehr deutlich, so daß eigentlich keine Fehler darin sein dürften. Mein Gott, was für traurige Geschichten
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