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Long Reach

Long Reach

Titel: Long Reach
Autoren: Peter Cocks
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Stimme klang jetzt bettelnd, freundschaftlich. »Gib mir die Schlüssel und lass mich hier abhauen.«
    »Das kann ich nicht«, sagte ich. »Du hast meinen Bruder umgebracht.«
    Tommys Unterkiefer klappte nach unten. Er war aufrichtig fassungslos. »Deinen
Bruder
?«, japste er. »Wer zum Henker ist dein Bruder?«
    Ihn aufzuklären wäre mir eine Genugtuung gewesen, aber mein Zögern war seine Chance. Er knallte seinen Schädel fest gegen meine Nase und rammte mir sein Knie in die Eier.
    Vor lauter Schmerz lockerte sich mein Griff und das gab ihm Zeit. Genug, um mich hart ins Ohr zu beißen, es einzureißen und mir den Autoschlüssel aus der Tasche zu winden.
    Ein schmerzvoller Nachgeschmack des Straßenschlägers, der Tommy Kelly einst gewesen sein musste. Der Mann, der seinem besten Kumpel in den Kopf schoss.
    Er wälzte mich zurück in den Stacheldraht, der mir übers Gesicht schabte und sich in meiner Jacke verfing, sodass ich hilflos war. Den Schwung nutzte er, um sich von mir abzustoßen. Mühsam richtete er sich auf und hetzte Richtung Auto.
    Ich rupfte mich aus dem Draht frei und zwang mich wieder auf die Beine, ihm hinterher. Ich sah die Warnblinker aufleuchten, als er den Volvo aus zehn Meter Entfernung entriegelte. Sah seinen rennenden Schattenriss vor den orangefarbenen Lichtgarben. Fast hatte ich ihn.
    Er machte einen Endspurt zum Wagen, riss die Fahrertür auf und grabschte sich etwas aus dem Ablagefach. Schon hatte ich ihn eingeholt und schleuderte mich gegen die Tür, um ihn am Einsteigen zu hindern. Dann sah ich das Blitzen von Metall, als er den Arm herumwarf. Die gebogene Klinge, eben aus der Autotür gezogen, zersäbelte den Ärmel meiner Daunenjacke, dass die Federn umherstoben. Ich griff mir seinen Arm und kickte ihm mit einem gezielten Tritt die Beine weg. Er plumpste in den Schlamm und ich versuchte, ihn von der Autotür wegzudrängen. In seinem dicken, weichen Mantel war er kaum zu fassen, und während ich mich noch abmühte, bekam er einen Arm frei und rammte mir seine Finger in die Augen. Sein anderer Arm peitschte wild mit der Klinge um sich und ich spürte, wie sie durch meine Jeans fuhr und mir das Bein zerfleischte.
    Jetzt ging es ums nackte Überleben. Wir wälzten uns neben dem Auto in Schotter und Matsch. Ich war wie blind, aber in meiner Nase hing Tommys Geruch, gemischt mit dem öligen Schlamm. Mit dem linken Arm nahm ich ihn in den Schwitzkasten, mit dem rechten langte ich in meine Jackentasche. Fand einen Kugelschreiber.
    Ich packte ihn mit der Faust und stieß ihn Tommy in den Hals. Er schrie auf, ließ die Klinge los und fuhr sich mit den Armen an die Gurgel. Während er sich im Schlick wand, packte ich ihn am Mantelkragen und schlug ihm ins Gesicht, dass die teuren Zähne nur so splitterten. Ich zog ihn am nassen Kragen hoch und rammte seinen Schädel mit aller Gewalt gegen den Radkasten. Das Geräusch war einfach nur ekelhaft. Ich tat es wieder und wieder, und dann trampelte ich ihm mit der Ferse im Gesicht herum, bis erschlaff dalag. Ich wuchtete ihn hoch und öffnete den Volvo-Kofferraum, wo eben noch Jason gelegen hatte.
    Er stöhnte, während ich mich mit ihm abquälte und den Deckel über ihm zuschlug. Beim ersten Versuch knallte die Klappe auf sein mageres bleiches Schienbein, riss die Haut auf, zermalmte Knochen. Ich stieß das unbeschuhte Bein in den Kofferraum und schlug die Klappe noch einmal zu.
    Dann schnappte ich mir den Schlüssel, schaltete den Warnblinker ein und verriegelte den Wagen.
    Draußen auf dem Fluss schleppte die Wasserpolizei das Schlauchboot zurück zum Steg. Ein weiterer Suchscheinwerfer schwebte über das nasse Ufer von Long Reach, stach mir in die Augen und hielt sich dann an einem einzelnen Maßschuh von Tommy Kelly fest, halb im Schlamm versunken.
    Ich blickte auf mein Handy, auf die SMS, die ich vom Autorücksitz aus geschickt hatte. Sie lautete:
Trdf3p wndu logrnjou
. Sie ergab überhaupt keinen Sinn. Entweder hatte ein Gedankenleser sie entgegengenommen oder die hatten mich gepeilt.
    Oder noch ein anderer hatte ihnen den Tipp gegeben.
    Polizisten des Spezialkommandos schleiften Jason Kelly und Paul Dolan aus dem Schlauchboot, legten ihnen Handschellen an und führten sie in unterschiedliche Richtungen ab. Paul wurde im Polizeigriff den Strand hochgebracht, und wie er so auf mich zukam, sein Gesicht rhythmisch erhellt von den orangefarbenen Warnblinkern des Volvos, hätte ich schwören können, dass er mir zuzwinkerte.
    Ich setzte mich ins
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