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London 1666

London 1666

Titel: London 1666
Autoren: Vampira VA
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kenne ihn«, stammelt es verlegen. »Er ist mein Herr .« Sie schaut zurück zum Haus, wo in diesem Moment eine gutgekleidete, zierliche Frau mit desillusioniertem Gesicht erscheint.
    »Was ist?« ruft sie.
    Das Mädchen schweigt. Die Kerle, denen die Kutsche gehört, nicht. Sie fordern die Frau auf, sich um ihren Mann zu kümmern, den sie - halb bei Bewußtsein, inzwischen aber wieder schlafend -im Park aufgelesen haben. Außerdem verlangen sie zehn Schilling dafür, daß sie ihn heimbrachten.
    Zitternd kommt die Frau zu ihnen und trägt, nachdem auch sie in den Verschlag geschaut hat, der Dienstmagd auf, das Doppelte der genannten Summe aus der Kasse zu nehmen und den Männern auszuhändigen. Mit dem zusätzlichen Betrag hofft sie sich ihre Diskretion zu erkaufen.
    Sie schämt sich.
    Samuel Pepys schämt sich auch, als er Stunden später in seinem Bett erwacht und in das steinerne Gesicht seiner Frau Elizabeth blickt.
    »Wie kannst du mich so bloßstellen?« fragt sie.
    Er schweigt.
    »Wo hast du dich herumgetrieben? Lord Brouncker hat zweimal nach dir gefragt. Der König soll sehr ungehalten sein .«
    Pepys starrt die Bettdecke an. Er versucht sich zu erinnern. Himbeerwein? denkt er. War ich nicht im »Windhund« ...?
    Er ist sich nicht sicher.
    »Du sahst aus wie ein Landstreicher!« hält Elizabeth ihm vor. »Als hättest du dich geprügelt!«
    Hat er das? Erinnert er sich deshalb nicht mehr? Ist er mit dem Kopf irgendwo aufgeschlagen und in Wahrheit Opfer eines feigen Überfalls?
    Wie es seine Art ist, kehrt er den Spieß um, kaum daß er Morgenluft wittert. Er weiß weniger als seine Frau, aber das hindert ihn nicht, sich bitterlich über ihr Auftreten zu beklagen.
    Roch er denn nach Alkohol?
    »Nein«, gibt sie eingeschüchtert zu.
    »Na also!«
    Er jagt sie fort; der Rest, so meint er, wird sich finden. Sein Schädel brummt, als hätte er wider allem Anschein doch hemmungslos durchgezecht. Aber andere Störungen seiner Befindlichkeit sind eher untypisch dafür.
    Die verlorenen Stunden werden nicht wieder in sein Gedächtnis zurückkehren. Zeit seines Lebens nicht.
    Nachdem seine Frau gegangen ist, steht er auf und geht in sein Ar-beitszimmer, das ihm so ausnehmend gut gefällt. Er nimmt sein Tagebuch und wundert sich über die fehlenden Niederschriften mehrerer Tage. Sogleich nimmt er Feder und Tintenfaß zur Hand und erfindet Belangloses, um die Lücke zu schließen.
    Von nun an pflegt er die Eintragungen wieder regelmäßig.
    Aber noch in Jahren werden ihn Träume plagen, die nie irgendwo in dieser Chronik ihren Niederschlag finden.
    Träume aus einer Zeit, als er sich sein Hülle noch mit einem anderen teilte, der ihm in jener Nacht, an die er keine Erinnerung mehr hat, ausgetrieben wurde.
    Von einem Engel, der den Teufel jagte .
    *
    Schon das Treppenhaus roch nach Tod. Es war düster und klamm, trotz der Sommerhitze, die draußen herrschte.
    Lilith schleppte sich nach oben.
    Sie wußte nicht, warum sie sich dies mit ihren letzten Atemzügen antat. Selbst wenn dort oben Er gewartet hätte, sie hätte ihm nicht mehr die Stirn bieten können - womit auch?
    Etwa mit der Hand, die Salvat präpariert hatte, ehe er Tobias und Lilith dem Teufel hinterhergesandt hatte? Diese Hand hatte schon einmal versagt, und sie war der Grund, der Lilith das Sterben ein klein wenig leichter machte.
    Wenigstens ihr würde sie entkommen, wenn dieser Körper sein Leben aushauchte. Wenigstens diesem Horror ... Aber sie wagte sich nicht vorzustellen, welche Heimsuchung vielleicht an seine Stelle treten würde.
    In der Hölle.
    In diesem fürchterlichen Reich, das sie vielleicht nie wirklich verlassen hatte.
    Womöglich hatte sie alles, was seit ihrem »Erwachen« 1635 ge-schehen war, nur geträumt und träumte auch die Qualen der Pest nur .
    Vergiß es!
    Sie schleppte sich weiter. Ihr ganzer Körper war zu einer leprösen Masse geschwollen. Jeder physische Kontakt verursachte Schmerz, selbst die Berührung des Geländers, an dem sie sich hochzog.
    Sie machte nicht Halt, bevor sie das Dachgeschoß erreicht hatte.
    Tote gab es genug in diesem Haus, wenn man den Leichenprüfe-rinnen glaubte. Aber Lilith suchte einen ganz bestimmten Kadaver.
    Kadaver?
    Sie hielt es immer noch für möglich, das Tier hier zu treffen. Bis zuletzt, als sie auf Knien über die Schwelle der Dachwohnung rutschte.
    Das Mädchen mit dem Vampirmal am Hals lag auf einem Bett -Lilith erkannte es sofort wieder, obwohl es furchtbar aussah und offensichtlich wurde,
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