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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst
Autoren: Georges Arnaud
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der öligen Haut ab. Der Rumäne konnte sich nicht mehr aufrecht halten und kippte zur Seite.
    »Wie muß man das machen?« brüllte Stürmer ihm ins Ohr. Er lag fast auf ihm. »Wie muß man das machen?«
    »Die Schmerzen, Herrgott, die Schmerzen ... verbinde mich ... ich halt’s nicht mehr aus.«
    »Wie muß man das machen?«
    »Du klemmst die Hanfseile zwischen den Zwillingsrädern fest ... du ziehst dich so auf die Stangen. Auf Achse, Gérard ... auf Achse...«
    Er hatte wieder die Besinnung verloren. Stürmer richtete ihn auf und lehnte ihn gegen das Rad. Dann ging er nach hinten, machte die Eisen los und trug sie nach vorn, fünf bis sechs Meter vor die Stoßstange.
     
     
    Der Verletzte kam wieder zu sich. Er sah Stürmer bei der Arbeit; er senkte die Augen auf die Wunde, die noch immer nicht gereinigt und nicht verbunden war. Er begann still vor sich hin zu weinen. Die Tränen liefen in Tropfen über sein öliges Gesicht. Er wollte Stürmer anrufen, aber wieder faßte der Strudel nach ihm. Er fühlte den Sog, wehrte sich einen Augenblick und überließ sich ihm.
    »Gleich«, brummte Gérard, als er an ihm vorbeikam, um die Seile an den Hinterrädern festzumachen.
     
     
    Das Petroleum stand bis zur Ladefläche. Kaum blieb Zeit genug; in einer Stunde würde es die Vorderräder erreicht haben. Die Hinterräder waren nicht mehr zu sehen.
    Gérard mußte wieder in den Tümpel. Er hielt den Atem an, aber die Petroleumdämpfe drangen ihm in Ohren und Nase, brannten ihm auf den Schleimhäuten.
    In der rechten Hand hielt er ein Hanfseil. Niemals hätten Stahlseile sich an den Rädern befestigen lassen. Aber das Hanfseil, das er dabei hatte, war kaum zwanzig Meter lang, und das mußte er in zwei Teile schneiden, eines für jede Seite. Und von der hinteren Radnabe bis zur Stoßstange maß der Wagen bereits fünf Meter.
    Die linke Hand ließ er zwischen die Zwillingsräder gleiten und suchte einen Augenblick nach den Löchern in den Rädern, zwischen denen er den dicken Knoten des Seilendes festklemmen konnte. Er bekam keine Luft mehr, er mußte nach oben.
    Mit geschlossenen Augen tastete er nach einem Lappen, den er vorher an die Wagenleiter gehängt hatte, und wischte sich das Gesicht ab. Auch seine Augen brannten von dem Petroleum; als er sie öffnete, war der Schmerz unerträglich. Erst die Tränen, die ihm in die Augen traten, verschafften Erleichterung; später fühlte er nur noch das Unangenehme seiner öligen Haut und im Mund den widerlichen Geschmack des Erdöls. Sein Atem ging ruhiger. Schaudernd stieg er in den Tümpel zurück. Jeder Handgriff mußte überlegt sein. Er mußte sich Zeit lassen; er durfte sich nicht überhasten.
    Die Metallteile, die Reifen, alles, was er anfaßte, war schmierig, und alles fühlte sich gleichmäßig schlüpfrig an. Nichts war ein sicherer Anhaltspunkt. Als er wieder heraufkam, um Atem zu schöpfen, glaubte er, daß er das Seil gut zwischen den Rädern befestigt hatte; aber es blieb ihm beim ersten Zug in den Händen. Zweimal mußte er von vorn anfangen, zweimal war alles umsonst. Er beschloß, sich fünf Minuten auszuruhen, bevor er einen weiteren Versuch unternahm. Die Sonne stand jetzt grell am Himmel. Auf der Oberfläche des Tümpels begannen sich Hitzewellen in der zitternden Luft abzuzeichnen. Stürmer ging bis ans Führerhaus, um nach der Uhr zu sehen: es war Viertel nach acht. Nicht mehr lange, und es wurde gefährlich. Er verzichtete auf die Pause und ging wieder an die Arbeit, ohne den stöhnenden Johnny zu beachten, der in der Sonne verkam.
    Dieses Mal hielt das Seil. Und zugleich wußte er jetzt, wie er es an der anderen Seite anzubringen hatte. Das war in zehn Minuten geschehen. Er brauchte jetzt nur noch die Stangen an den richtigen Stellen einzurammen. Gut auf Achse! hatte Johnny gesagt. Wahrscheinlich hatte er doch damit gemeint: auf die Achse des Zwischenraums zwischen den beiden hinteren Räderpaaren. Das war nicht schwierig; bei diesen Wagen ist die Spurweite der Hinterräder beträchtlich größer als die der Vorderräder. Für einen ehemaligen Goldgräber war es auch kein Kunststück, eine Eisenstange allein in den Boden zu treiben. Stürmer hieb mit der Hacke ein Loch, dessen genaue Stelle er vorher mit dem Seil abgemessen hatte: einmal gespannt, durfte es weder die äußeren noch die inneren Reifen des Doppelrades berühren, an dem es befestigt war.
    Dann steckte er die Eisenstange senkrecht in den vorbereiteten Boden und stützte sie mit Steinen in
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