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Lösegeld am Henkersberg

Lösegeld am Henkersberg

Titel: Lösegeld am Henkersberg
Autoren: Stefan Wolf
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durchsetzen. Von
allen wurde Döbbel nur Döbbel genannt. Lediglich er selbst hielt den ,Werwolf’
am Leben, indem er seine Gäste öfters mit dem Spruch beglückte: „Im ,Halben Ohr’
ist euer Werwolf immer für euch da.“
    Jetzt rührte sich Döbbel so wenig wie
die andern.
    Auch Gluschke und Enrico Vedmillia
starrten den Verprügelten an.
    „Ich denken, ich sehen nicht richtig“,
sagte Enrico, der Italiener; sein Deutsch war noch nicht so recht perfekt.
    „So eine Pfeife!“ Gluschke stieß
zischend Luft durch eine Zahnlücke.
    „Ooobeeerpfeifeee!“ ließ Döbbel sich
vernehmen. Er sprach geziert, weil er das für vornehm hielt.
    „Ich fassen es nicht“, Enrico trank
rasch einen Schluck Whisky. „Ritschi lassen sich flachlegen von diesem
Halbstarken.“
    Gluschke schüttelte den Kopf, als
könnte er’s nicht begreifen.
    „Wirklich toll, wie du’s dem Bengel
gezeigt hast“, sagte Döbbel. „Eine große Schau hast du vorgeführt, Ritschi. Für
den Penner Leo hat’s gerade noch gereicht. Aber dann... Mann! Morgen wollen wir
einen Schulbus entführen mit 30 solcher Wänster. Und du ausgelutschter
Strohhalm läßt dich umknicken vom Erstbesten.“
    „Der... der... muß Kampfsportler sein“,
ächzte Ritschi. „Judo und Karate und so. Und bärenstark. Wie der mich durch die
Tür schmiß — da hättet ihr nicht besser ausgesehen. Keiner von euch.“
    Wie auf Kommando setzte brüllendes
Gelächter ein. Enrico, Gluschke und Döbbel rissen die Münder auf, lachten aus
vollem Halse, patschten sich auf die Schenkel und verstummten dann
nacheinander.

    Enrico streckte den kleinen Finger
seiner linken Hand aus. „Damit allein ich solche Halbstarken zu Boden strecken.
Capisce ( Verstanden )?“
    Enrico war mittelgroß und kräftig.
Kleine Narben übersäten das eckige Boxer-Gesicht. Aber dieses Gesicht war ihm
in die Wiege gelegt worden. Geboxt hatte Enrico nie. Er hatte viele schwarze
Schmalzlocken, für die er Haaröl benutzte, und kleidete sich ausgeflippt. Heute
trug er zum weinroten Sakko ein knallgelbes Hemd.
    Gluschke schien in diese Runde nicht zu
passen: Overall, blauer Arbeitskittel, derbe Schuhe. Dazu ein teigiges Gesicht
mit semmelblondem Haar. Kurzsichtig blinzelte er durch eine Brille mit gelbem
Horngestell. Die Fingernägel hatten Trauerränder. Claus Gluschke war
Hausmeister-Gehilfe. Seit kurzem hatte er einen tollen Job — war nämlich
angestellt an der TKKG-Internatsschule draußen vor der Stadt.
    Gluschke als einziger hatte nicht um
die pinkfarbene Glassteinwand geluchst, als sich vor der Tür die Keilerei
abspielte. Ein Versäumnis! Sonst hätte er Tim — und die anderen — erkannt und
Ritschis Vermutung bestätigen können: Daß es sich bei dem TKKG-Häuptling um
einen Kampfsportler handelte, mit dem wirklich nicht gut Kirschen essen ist.
    Enrico war der Boss dieser Bande: ein
berüchtigter Ganove aus der Unterwelt von Neapel. Hier hatte er sich für seinen
Coup die passenden Leute zusammengesucht: Döbbel, Gluschke und Ritschi.
    Jetzt nahm der Italiener eine
Papierserviette von der Theke und riß sie entzwei.
    „Ritschi, es seien aus mit dir. Du
wissen, was ich meinen. Du nur Mist bauen seit langem. Ich dich warnen. Du
wieder Mist bauen. Ich dir drohen. Du nur versagen. Jetzt finito! Wir nicht
brauchen Schwächling wie dich. Pfui! Wir machen größtes Coup in Europa. Noch in
hundert Jahren die Welt wird wissen das. Aber du nicht dabei. Du raus aus
unserer Organisation. Capisce? Und wenn du reden ein Wort...“
    Drohend sah er ihn an. Dann fuhr er
sich mit flacher Hand über die Kehle.
    Ritschi schluckte. Sein Rattengesicht
wurde grau unter der Solariumbräune.
    „Enrico, das kannst du nicht machen.
Ich habe doch... ‘ne Pechsträhne hat jeder mal. Aber ich verspreche...“
    „Du dich verpfeifen!“ schrie Enrico. „Und
nochmal ich dir sagen: Wenn du reden — Kopf ab.“
    Gluschke und Döbbel grinsten.
    Ritschi hatte sich mit der Hand auf
eine Stuhllehne gestützt. Jetzt schoß ein haßerfüllter Blick auf die drei. Aber
sofort senkten sich die Lider, und man sah: Er war niedergeschlagen.
    „Falls ihr’s euch anders überlegt“,
murmelte er, „wißt ihr ja, wo ihr mich findet.“
    „Raus!“ befahl Enrico.
    „Auch als Gast will ich dich hier nicht
mehr sehen“, setzte Döbbel eins drauf. „Das heißt, du hast Hausverbot. Klar?“
Ritschi machte kehrt ohne ein Wort der Erwiderung. Durch die Drehtür entschwand
er hinaus auf die Springflut-Gasse.
    Döbbel kam hinter der
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