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Lösegeld am Henkersberg

Lösegeld am Henkersberg

Titel: Lösegeld am Henkersberg
Autoren: Stefan Wolf
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ein Haus kaufen oder zwei Rolls Royces.
Oder... Mama hat fürchterlich geheult, Papa mußte seine Beruhigungstropfen
nehmen. Und Georg konnte kaum noch fahren. Beinahe hätte er ‘ne Ampel platt
gewalzt. Leute, habe ich mich geschämt! Bis ich volljährig bin, will ich aufs
Taschengeld verzichten. Aber das ist für Mama kein Trost.“
    „Ihr wart dann also bei der Polizei“,
sagte Tim, „ich nehme an, bei Gabys Vater.“
    Klößchen nickte. „Kommissar Glockner
hat sich irre Mühe gegeben. Stundenlang mußte ich mir die Karteifotos der
polizeibekannten Diebe und Taschendiebe ansehen. Der Penner war nicht dabei.
Dann wollten wir eine Phantomzeichnung anfertigen. Aber der Phantomzeichner hat
sich am Freitag den Arm gebrochen. Und der Ersatzmann ist ‘ne Pflaume. Der kann
gar nicht zeichnen, jedenfalls keine gesuchten Verbrecher. Zehnmal hat er’s
probiert nach meinen Angaben. Hat auch die Schablonen benutzt, diese
fertiggemalten Gesichtsteile. Immer sah das Ergebnis anders aus — mal wie ein
Politiker, mal wie ein abgewrackter Rock-Star. Kommissar Glockner meinte dann,
ich sollte mich erstmal beruhigen. Morgen wollen wir’s nochmal versuchen.
Hoffentlich habe ich bis dahin nicht alles vergessen!“
    „Und wie sieht der Typ nun aus?“
    „Das Gesicht — also gewissermaßen wie
eine Zitrone.“
    „Gelb?“
    „Nein, ausgepreßt. Ohne Saft.“
    Karl hatte schon zum zweitenmal seine
Brille poliert. Klößchen seufzte in mehreren Tonlagen.
    Irgendwie, dachte Tim, werde ich aus
Willi schon rauskitzeln, was wir brauchen: die genaue Beschreibung des Diebes.
Vermutlich war’s gar kein Stadtstreicher. Man kann sich ja verkleiden, haben
wir auch schon gemacht. Schnell ab um die Ecke! — und der Täter wirft den
verwanzten Mantel weg samt Hut und angeklebtem Bart. Zum Vorschein kommt ein
boutique-schnieker Nobeltyp. Aber nach so einem wird nicht gesucht. Nur das
Gesicht — das kann man nicht einfach ablegen wie Schale. Willi muß sich selbst
erstmal einkriegen, gemütsmäßig, dann wird er den schon richtig beschreiben.
    „Deine Idee, Willi“, sagte Karl, „mit
Gabys Freundin Alice als Phantomzeichnerin ist gut, finde ich. Vielleicht
klappt’s, und wir haben dann ein Konterfei in der Hand. Alice soll wirklich gut
zeichnen können.“
    Tim sah auf die Normaluhr über einem
nahen Uhrengeschäft. „Alice ist vorhin erst angekommen, aus Brüssel, glaube
ich, wo ihre Eltern jetzt wohnen. Wenn wir zu früh antanzen, werfen die Mädchen
uns gleich wieder raus. Ich schlage vor, wir fahren noch durchs
Rhodenacker-Viertel. Neuerdings gerät das immer mehr in Verruf: Drogen-Szene,
üble Kneipen, Spielhöllen im Hinterzimmer, Ramschläden, deren Inhaber Sore ( Diebesbeute )
aufkaufen. Kann also nicht schaden, wenn wir uns dort umsehen.“

2. Gaststätte „Zum halben Ohr“
     
    In einer Grünanlage hüpften Spatzen auf
der Wiese. Tim sah’s im Vorbeifahren. Vor dem Venezia-Eis-Café standen
Tischchen. Wer nicht fror, konnte dort sein Gelati (Eis) löffeln. Aus
einer Gruppe, die eng zusammengluckte, hob sich ein winkender Arm, und jemand
brüllte: „Hallo, Tim!“ Der TKKG-Häuptling glaubte, Theo Linkspfeifer zu
erkennen, war sich aber nicht sicher.
    Bei der Backstein-Kirche schwenkte er
rechts durch den Torbogen in die Rhodenacker-Straße. Sie gibt dem Stadtteil den
Namen. Karl und Klößchen schlossen zu ihrem Anführer auf.
    Alice Theisen, dachte Tim. Bin gespannt
auf sie.
    Keiner der Jungen kannte die 14jährige.
Auch Gaby hatte bislang nur ein Foto von ihr. Vor drei Jahren hatte die
Brieffreundschaft zwischen den beiden Mädchen begonnen. Ungezählte Briefe
gingen hin und her; und Gaby freute sich jedesmal, wenn ein Brief aus der
weiten Welt eintraf. Alice schrieb mal aus New York, mal aus Mexiko-City, mal
aus Rom oder Singapur.
    Das war nicht auf Alice’ Reiselust
zurückzuführen, sondern auf den Beruf ihres Vaters. Professor Theisen war
Bio-Chemiker, offenbar ein ganz großes Licht. Er arbeitete als beratender
Forschungsleiter für irgendeine Institution der Europäischen Gemeinschaft, und
diese Aufgabe führte den Wissenschaftler immer wieder in die Welt hinaus: für
ein halbes Jahr hierhin, für ein ganzes dorthin. Seine Familie — Frau und
Tochter — nahm er mit, wenn es irgendwie ging. Auf diese Weise hatte Alice
schon die halbe Welt gesehen, aber noch immer erhebliche Lücken in der
deutschen Grammatik.
    Nun endlich konnte sie, Alice, einen
langgehegten Wunsch wahr machen: den Besuch bei Gaby. Heute
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