Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Cory Doctorow
Vom Netzwerk:
Schachfigur im Spiel irgendwelcher intriganten Politiker missbraucht werden. Vielleicht würden sie einfach alles durch den Schredder jagen.
    Doch diese leise Stimme in mir, die meine eigene war und die mir die ganze Zeit über meine Fehler vorgehalten und mich gewarnt hatte, dass ich mich zum Spielball anderer Leute machte, wenn ich ihnen die Spielregeln überließ – diese leise Stimme war verstummt, kaum dass ich die Initiative ergriffen hatte. Und was ich getan hatte, war richtig und nötig gewesen, dessen war ich mir sicher. Denn wenn das System schon so kaputt war, dass Carrie Johnstone keine Konsequenzen für ihre Taten zu befürchten hatte, dann war es eben nicht nur »das System«, das schlief: Es war einzig und allein die Schuld von Leuten wie mir, die sich für das Nichtstun entschieden, obwohl sie die Chance hatten, etwas zu tun. Menschen machten das System aus, und ich war ein Teil davon, und damit auch Teil des Problems. Doch von jetzt an würde ich Teil der Lösung sein.

E PILOG
    Acht Monate lang hatte ich Zeit gehabt, Geheimprojekt X-1 wieder flottzukriegen. Im Hochsommer fuhr ich sogar extra in die Mojave-Wüste, wo der Staub fast derselbe war wie in der Black Rock Desert Nevadas. Hingerissen schaute ich zu, wie X-1 die Sonnenstrahlen in sich aufsog und in einen kleinen Laser verwandelte, mit dem es dann den feinen weißen Staub zu dreidimensionalen Objekten sinterte. Erst entstand ein kleiner Totenkopfring, dann ein Spielzeugauto. Dann ein Stück Kettenhemd, alle Ringe schon miteinander verbunden und geschlossen – einer der coolsten Tricks, die mit 3D-Druckern möglich sind. Einmal stellte ich abends im Noisebridge meine Fortschritte vor, und die Leute waren so begeistert, dass man meinen Stolz wohl noch mit einer Überwachungsdrohne hätte sehen können – so sehr funkelte der Glorienschein rings um mein Haupt.
    Doch jetzt, hier, wieder in der Playa, wollte das verdammte Ding einfach nicht funktionieren. Neben mir saß Lemmy auf seiner Sonnenliege, nippte isotonische Getränke aus seinem CamelBak und gab mehr oder minder hilfreiche Tipps. Immer wieder blieben Leute stehen und wollten wissen, was ich da machte. Ich überließ Lemmy die Erklärungen, damit ich mich ganz auf meine sture Höllenmaschine konzentrieren konnte.
    Ich hörte erst damit auf, als auch meine Stirnlampe nicht mehr genug Licht für die Arbeit gab, dann streckte ich mich, um die Schmerzen aus meinen Glieder zu treiben, stürzte einen halben Liter Kaltgebrühten runter und ging mich abreagieren.
    Die nächste Dreiviertelstunde folgte ich tanzend einem riesigen Art Car, das unter wüstem Dubstep-Gewummere durch die Ebene kroch. Da traf mich auf einmal die Inspiration wie ein Blitz. So schnell ich konnte, rannte ich zu Lemmys Auto, und im Schein der Innenbeleuchtung stellte ich fest, dass ich tatsächlich wieder einen wichtigen Teil der Stromversorgung falsch rum montiert hatte. Ich nahm das Teil heraus, passte es richtig rum wieder ein und hörte das vertraute Geräusch, als die von den Solarzellen geladenen Akkus zum Leben erwachten.
    Vielleicht war ich ja doch kein totaler Idiot.
    Egal, wie lange ich gestern Nacht getanzt hatte: Beim ersten Sonnenstrahl stand ich auf und machte das verdammte Gerät endlich einsatzbereit. Ich hatte eine Menge zu drucken, und so fuhrwerkte ich in der Dämmerung daran herum, während der blaue Laser die Eingeweide des Druckers wie eine Laterne aufleuchten ließ.
    Als die Leute wieder neugierig stehen blieben, schenkte ich ihnen Krimskrams: knochenweiße Totenkopfringe, perfekte Knoten und mathematische Körper, fremdartige, geisterhafte Figuren. Ich hatte mir vor dem Festival eine ganze Bibliothek von 3D-Körpern von Thingiverse runtergeladen, als sich abzeichnete, dass der Drucker dieses Jahr beim Burning Man vielleicht funktionieren würde.
    Bald hatte es sich rumgesprochen, und bis Lemmy aufgestanden war, hatten sich schon jede Menge Menschen um unser Zelt versammelt: Tänzer, die die Nacht durchgemacht hatten, mit Pupillen so groß wie Untertassen; Frühaufsteher mit Yogamatten und verirrte College-Kids; und eine Jawa-Frau, die mir nicht unbekannt war, mit überkreuzten Patronengurten, die ihre Brüste betonten.
    »Hi, Ange.« Ich überließ Lemmy die Obhut über den Drucker, schnappte uns einen Krug mit Kaltgebrühtem und ging mit ihr ein paar Schritte weg von den anderen. Sie nahm ihre Maske ab. Die Sonne hatte ihr Gesicht mit Sommersprossen besprenkelt. Ich ließ ihr den ersten Schluck
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher