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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Cory Doctorow
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höflich, die Leute vorher zu fragen, ehe man eine Nahaufnahme von ihnen macht.
    So lief ich also im Schutz meines silberblauen Burnus, unter dem ein Schlauch zu der Wasserflasche an meinem Gürtel führte, durch die Staubwolken und war gleichermaßen Fotograf wie Motiv, beobachtet, doch nicht überwacht, und es fühlte sich herrlich an.
    »Juhu!«, rief ich dem Staub zu, den Art Cars, den Nackten und der riesigen Holzfigur, die mitten in der Wüste mit ausgebreiteten Armen auf einer Pyramide stand. Das war er – der Mann, den wir am Samstagabend verbrennen würden, deshalb hieß das Festival ja auch Burning Man. Ich konnte es kaum noch erwarten.
    »Bist ja gut drauf«, stellte da ein Jawa neben mir fest. Trotz des Verzerrers in der Atemmaske hätte ich die Stimme des kapuzentragenden Wüstenbewohners jederzeit erkannt.
    »Ange?« Wir hatten uns den ganzen Tag über verpasst. Ich war eine Stunde vor ihr aufgewacht und hatte mich aus dem Zelt gestohlen, um den Sonnenaufgang anzusehen (ist eine unglaubliche Erfahrung). Seitdem hatten wir uns immerNachrichten hinterlassen, wo wir als Nächstes hingingen.
    Den ganzen Sommer über hatte Ange an diesem Umhang gearbeitet: Tücher nahmen den Schweiß auf und leiteten ihn über die Haut, sodass er beim Verdunsten für zusätzliche Kühlung sorgte. Darüber lag der charakteristische, fleckig-braune Stoff, der ein wenig an eine Mönchskutte erinnerte, selbst geschneidert und gefärbt. Zwei einander überkreuzende Patronengurte betonten ihre Brüste, wodurch das ganze Outfit ganz schön kriegerisch und einfach umwerfend wirkte. Es war das erste Mal, dass sie es in der Öffentlichkeit trug, aber hier, im blendend hellen Staub, war sie ungelogen der überzeugendste Wüstenbewohner, der mir je untergekommen war. Wir umarmten uns, und sie drückte so fest, dass ich kaum noch Luft bekam – einer ihrer gefürchteten Knuddel-Griffe.
    »Ich hab deine Farbe verschmiert«, stellte sie durch den Verzerrer fest.
    »Und ich deinen Umhang.«
    Sie zuckte die Achseln. »Ist doch egal! Wir sehen beide toll aus. Also, was hast du erlebt, was hast du gemacht, und wo bist du gewesen, junger Mann?«
    »Wo soll ich da anfangen?« Ich war durch die strahlenförmig angelegten Straßen gewandert und hatte mir die ganzen skurrilen Sachen angesehen. In einem Camp stellten die Leute mit einer gefährlich wirkenden Mühle aus riesigen Eisblöcken Speiseeis her. In einem anderen gab es eine linoleumbeschichtete Rutsche, die man auf einem fliegenden Plastikteppich runterrodeln konnte. Ein paar Liter Abwasser reichten schon, um auf dem Linoleum ordentlich Tempo zu kriegen, und nebenbei wurde man so auch gleich sein graues Wasser los (so nannte man das Wasser, das man zum Duschen, Geschirrspülen oder Händewaschen benutzt hatte – schwarzes Wasser hieß es, wenn es Fäkalien enthielt). Eine der Regeln beim Burning Man lautet, keine Spuren zu hinterlassen – wenn wir wieder gingen, würden wir jedes noch so kleine Stück von Black Rock City mit uns nehmen, auch das graue Wasser. Jeder Tropfen Wasser, der auf der Rutsche verdunstete, war also ein Tropfen, den wir nicht den ganzen Weg bis Reno würden mitnehmen müssen.
    Es gab etwas speziellere Camps, in denen Pärchen lernen konnten, wie man einander fesselt; ein »Junkfood-Glory-Hole«, durch das man geheimnisvolles und meist sehr ungesundes Essen in den Mund geschoben bekam (bei mir waren es völlig überzuckerte Cornflakes, dazu Marshmallows mit Kokosgeschmack, in der Form von Sternzeichen); woanders konnte man sich Wüstenräder leihen, die zwar völlig staubverkrustet waren, aber auch liebevoll mit Glitzerteilchen, Kunstfell, Glöckchen und komischen Fetischen verziert; in einem Teehaus hatte ich eine japanische Sorte probiert, von der ich noch nie was gehört hatte (der Tee war etwas säuerlich, aber wirklich köstlich); es gab Camps voll mit verrücktem Krimskrams, andere widmeten sich der Physik oder optischen Täuschungen; es gab Camps für Männer und Frauen und auch ein relativ unbeaufsichtigtes Kindercamp, wo mit viel Gerenne und Geschrei gerade irgendein großes Spiel ablief – so viele Dinge, die ich mir nie hätte träumen lassen.
    Und dabei hatte ich erst einen kleinen Teil von Black Rock City kennengelernt.
    Ich erzählte Ange, an was ich mich noch erinnern konnte, und sie nickte, sagte »ooh« und »aah« und wollte wissen, wo ich das alles gesehen hatte. Dann erzählte sie mir von ihrem Tag: von Frauen oben ohne, die einander die Brüste
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