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Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother
Autoren: Cory Doctorow
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diese Silhouette mit einer Datenbank abzugleichen, um herauszufinden, wer du bist. Ein biometrisches Identifikationssystem also, wie Fingerabdrücke oder Iris-Scans, hat aber viel mehr "Kollisionen" als die anderen beiden. Eine biometrische "Kollision" bedeutet, dass eine Messung zu mehr als einer Person passt. Deinen Fingerabdruck hast du ganz allein, aber dein Gang ist ziemlich gleich wie der von etlichen anderen Leuten.
    Nur "ziemlich", nicht exakt. Dein persönlicher Gang, auf den Zentimeter genau erfasst, ist deiner, ganz allein deiner. Dumm ist nur, dass du nie auf den Zentimeter genau gleich gehst, weil das davon abhängt, wie müde du bist, auf welcher Sorte Untergrund du gehst, ob du deinen Knöchel beim Basketball geprellt hast und ob du kürzlich erst neue Schuhe gekauft hast. Also nähert sich das System deinem Profil mit sowas wie Fuzzy Logic und guckt nach Leuten, die irgendwie so ähnlich gehen wie du.
    Aber es gibt ne Menge Leute, die irgendwie so ähnlich gehen wie du. Und außerdem ist es simpel, eben nicht irgendwie so ähnlich zu gehen wie du selbst - zieh bloß mal einen Schuh aus. Natürlich wirst du dann so laufen wie "du mit nur einem Schuh an" eben immer läufst, und die Kameras werden früher oder später merken, dass dus trotzdem bist. Deshalb gehe ich meine Angriffe auf die Schritterkennung mit einer Zufallskomponente an: Ich kippe ne Handvoll Kiesel in jeden Schuh. Billig und wirksam, keine zwei Schritte sehen gleich aus. Und klasse Reflexzonenmassage gibts gratis dazu (war nur Spaß. Reflexzonenmassage hat um und bei denselben wissenschaftlichen Wert wie Schritterkennung).
    Die Kameras waren anfangs so eingestellt, dass sie jedes Mal Alarm schlugen, wenn jemand den Campus betrat, den sie nicht kannten.
    Gaaanz schlechte Idee.
    Wir hatten alle zehn Minuten Alarm. Der Briefträger. Irgendein Elternteil. Die Handwerker, die das Basketballfeld reparierten. Sogar bei Schülern mit neuen Schuhen ging der Alarm los.
    Deshalb versucht das System jetzt bloß noch aufzuzeichnen, wer wann wo ist. Wenn also jemand während der Unterrichtszeit das Schulgelände verlässt, wird der Gang daraufhin abgeglichen, ob es einer der Schüler sein könnte. Und wenn ja, wup-wup-wup, geht die Sirene los.
    Chavez High ist von Kieswegen umgeben. Ich hab für alle Fälle immer ein paar Hände voll Steinchen in meiner Umhängetasche. Kommentarlos gab ich Darryl ein Dutzend von den kantigen Biestern rüber, und wir füllten beide unsere Schuhe.
    Der Unterricht war nahezu vorbei, als mir klar wurde, dass ich immer noch nicht auf der Website von Harajuku Fun Madness nachgeschaut hatte, wo man den nächsten Hinweis finden würde! Ich war viel zu sehr auf die Flucht konzentriert gewesen und hatte mich nicht drum gekümmert, wohin wir zu fliehen hatten.
    Also griff ich noch mal in die Tasten meines SchulBooks. Der Browser, den wir benutzten, kam vorinstalliert. Eine dichtgemachte Spyware-Version des Internet Explorers, Microsofts Crashware-Dreck, den kein Mensch unter 40 freiwillig benutzte.
    Ich hatte einen Firefox auf dem USB-Laufwerk in meiner Uhr, aber das reichte nicht - das SchulBook lief mit Vista4Schools, einem antiken Betriebssystem, das Schuladministratoren die Illusion geben sollte, sie könnten kontrollieren, welche Programme auf den Rechnern ihrer Schüler laufen.
    Aber Vista4Schools steht sich selbst im Weg. Ne Menge Programme sollen so laufen, dass man sie in Vista4Schools nicht ausschalten kann - Keylogger, Zensurprogramme -, und die müssen in einer speziellen Betriebsart laufen, damit sie vom System nicht gesehen werden. Du kannst sie nicht ausschalten, weil du sie gar nicht im System sehen kannst.
    Jedes Programm, dessen Name mit $SYS$ beginnt, ist fürs Betriebssystem unsichtbar. Es taucht weder im Explorer noch im Taskmanager auf. Also hatte ich meine Firefox-Kopie $SYS$Firefox genannt - und wenn ich es startete, wurde es für Windows unsichtbar und somit für die Schnüffelprogramme im Netzwerk.
    Der Indie-Browser lief, jetzt brauchte ich nur noch eine Indie-Netzwerkverbindung. Das Schulnetz zeichnete jeden Klick rein und raus auf, und das konnte man ja nicht brauchen, wenn man fürn bisschen außerschulischen Spaß bei Harajuku Fun Madness vorbeisurfen wollte.
    Die geniale Lösung heißt TOR - The Onion Router. So ein "Zwiebel-Router" ist eine Website, die Verbindungsanfragen zu Internetseiten entgegennimmt und zu anderen TORs weiterreicht; das Ganze ein paar Mal weiter, bis schließlich ein TOR die
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