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Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother
Autoren: Cory Doctorow
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ist was ganz anderes."
    "Was machen wirn jetzt, Marcus?"
    "Hm, verstecken geht nicht, also muss ichs grillen."
    RFIDs zu killen ist ne schwarze Kunst. Kein Händler kann bösartige Kunden brauchen, die in seinem Shop rumrennen und hirntote Waren zurücklassen, denen der unsichtbare Strichcode fehlt. Deshalb haben die Hersteller sich geweigert, ein "Kill-Signal" vorzusehen, mit dem man per Funk den RFID ausschalten kann. Mit den geeigneten Boxen kann man RFIDs umprogrammieren, aber ich hasse es, das mit Büchereibüchern zu tun. Es ist nicht dasselbe wie Seiten rauszureißen, aber es ist schon übel, weil ein Buch mit umprogrammiertem RFID nicht mehr einsortiert und nicht mehr gefunden werden kann. Es wird zu einer Stecknadel im Heuhaufen.
    Also blieb mir nur eine Option: das Ding zu grillen. Im Wortsinn. 30 Sekunden in der Mikrowelle kriegen so ziemlich jeden handelsüblichen RFID klein. Und weil der Chip dann überhaupt nichts mehr sagen würde, wenn D es in die Bibliothek zurückbrächte, müssten sie bloß einen neuen ausdrucken und mit den Katalogdaten des Buchs codieren; dann würde es ganz ordentlich wieder auf seinem Regal landen.
    Alles, was wir jetzt brauchten, war eine Mikrowelle.
    "Lass uns noch zwei Minuten warten, dann ist das Lehrerzimmer leer", sagte ich.
    Darryl schnappte sich sein Buch und ging zur Tür. "Vergiss es einfach. Ich geh zurück in die Klasse."
    Ich griff ihn am Ellbogen und zog ihn zurück. "Hey, D, entspann dich. Alles wird gut."
    "Lehrerzimmer, ja? Hast du mir nicht zugehört? Wenn die mich noch einmal schnappen, bin ich weg vom Fenster. Begriffen? Die werfen mich raus!"
    "Sie schnappen dich aber nicht", antwortete ich. Wenn es einen Ort gab, an dem um diese Zeit kein einziger Lehrer war, dann das Lehrerzimmer. "Wir gehen hintenrum rein."
    Das Lehrerzimmer hatte an einer Seite eine Küchenzeile mit separatem Eingang für Lehrer, die nur kurz auf einen Becher reinkamen. Die Mikrowelle, die immer nach Popcorn und verschütteter Suppe stank, war auch da drin - oben auf dem Minikühlschrank.
    Darryl stöhnte, und meine Gedanken rasten.
    "Hey, es hat schon wieder geklingelt. Wenn du jetzt ins Studierzimmer gehst, kriegst du ne Ermahnung für Zuspätkommen. Dann doch lieber gar nicht erst auftauchen. Ich krieg uns unbemerkt in jeden Raum auf dem Campus rein und wieder raus, D. Hast du doch schon gesehen. Mit mir bist du sicher, Alter."
    Er stöhnte wieder. Das war einer von Darryls Tells: Wenn er erst mal anfängt zu stöhnen, dann ist er bereit nachzugeben.
    "Auf gehts", sagte ich, und wir legten los.
    Es ging reibungslos. Vorbei an den Klassenräumen, rückwärtige Treppe nach unten, vordere Treppe direkt vorm Lehrerzimmer wieder hoch. Kein Piep war von drinnen zu hören; ich drehte den Türgriff und zog Darryl nach innen, um die Tür leise wieder hinter uns zu schließen.
    Das Buch passte grade so in die Mikrowelle, die sogar noch unappetitlicher aussah als beim letzten Mal, als ich sie brauchte. Ich wickelte das Buch penibel in Papiertücher, bevor ich es reinsteckte. "Mann, Lehrer sind Schweine", zischelte ich. Darryl, bleich und angespannt, erwiderte nichts.
    Der RFID-Chip starb in einem Funkenregen, was ganz entzückend aussah (wenn auch nicht annähernd so hübsch wie der Effekt, wenn man eine tiefgefrorene Traube hochjagt - das muss man sehen, um es zu glauben).
    Jetzt also bloß noch anonym weg vom Campus.
    Darryl öffnete die Tür und schob sich nach draußen, ich direkt hinter ihm. Einen Moment später stand er auf meinen Zehen, seine Ellbogen in meine Brust gerammt, und drängte in die wandschrankgroße Küche zurück, die wir grade verlassen hatten.
    "Zurück", flüsterte er mit Nachdruck. "Mach schnell, Charles kommt!"
    Charles Walker und ich können nicht miteinander. Wir sind im selben Jahrgang und kennen uns genauso lange, wie ich Darryl kenne, aber das wars auch schon an Gemeinsamkeiten. Charles war immer schon groß für sein Alter, und seit er Football spielt und Zeug schluckt, ist er noch größer. Er hat sein Temperament nicht unter Kontrolle - in der dritten Klasse ist ihm einer meiner Milchzähne zum Opfer gefallen -, und das bringt ihm nur deshalb keine Probleme, weil er einer der eifrigsten Spitzel an der Schule ist.
    Ist ne üble Kombi, ein Schläger, der auch schnüffelt - es verschafft ihm enorme Befriedigung, mit jeder Kleinigkeit, von der er Wind kriegt, sofort zu den Lehrern zu rennen. Benson liebte Charles. Und der ließ gern durchblicken, dass er irgendein
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