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Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother
Autoren: Cory Doctorow
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der strahlenden Nachmittagssonne über Mission entgegen. So schön war Valencia Street noch nie gewesen. Ich blickte auf die Uhr und erschrak.
    "Tempo! Der Rest der Truppe erwartet uns in 20 Minuten bei den Cable-Cars!"
    [x]
    Van sah uns zuerst. Sie hatte sich zu einer Horde koreanischer Touristen gesellt; das ist eine ihrer Lieblingstarnungen beim Schuleschwänzen. Seit dieses Schwänzer-Moblog online ist, wimmelt unsere Welt von neugierigen Ladeninhabern und Hobbyschnüfflern, die es für ihre Pflicht halten, Bildchen von uns zu machen und ins Netz zu stellen, wo sie von Schul-Offiziellen durchsucht werden können.
    Sie kam aus der Menge heraus und steuerte auf uns zu. Darryl ist seit ewig hinter Van her, und sie ist so süß, so zu tun, als ob sies nicht merkt. Sie umarmte mich und ging dann zu Darryl weiter, um ihm ein züchtiges Küsschen auf die Wange zu drücken, das ihn bis über die Ohren knallrot anlaufen ließ.
    Die beiden gaben ein lustiges Paar ab: Darryl ist ein bisschen stämmig, was bei ihm aber gar nicht schlecht aussieht, und hat einen rosigen Teint, der dazu neigt, an den Wangen rot zu werden, sobald er rennt oder aufgeregt ist. Er hatte schon mit 14 Bartwuchs entwickelt, aber glücklicherweise nach einer kurzen Zeit, die unter uns "die Lincoln-Jahre" hieß, mit Rasieren angefangen. Und er ist groß. Sehr, sehr groß. Basketballspielergroß.
    Van dagegen ist sogar noch einen halben Kopf kleiner als ich, sie ist mager, und sie trägt ihr glattes schwarzes Haar in irrwitzig komplizierten Zöpfen, deren Machart sie im Internet raussucht. Sie hat hübsche kupferfarbene Haut und dunkle Augen, und sie steht auf Glasringe groß wie Rettich, die beim Tanzen gegeneinanderklirren.
    "Wo ist Jolu?", begrüßte sie uns.
    "Wie gehts dir, Van?", fragte Darryl mit belegter Stimme. In unseren Gesprächen mit Van war er immer einen Satz hinterher.
    "Super, D. Und wie gehts deinen Kleinigkeiten?" Oh, sie war ein Miststück. Darryl fiel fast in Ohnmacht.
    Jolu erlöste ihn von drohender sozialer Ächtung, indem er just in diesem Moment auftauchte: in übergroßer Leder-Baseballjacke, rattenscharfen Turnschuhen und einem Netz-Cap mit Logo unseres mexikanischen Lieblings-Wrestlers, dem maskierten El Santo Junior. Jolu ist Jose Luis Torrez, und er macht unser Quartett komplett. Er ging auf eine superstrenge katholische Schule in Outer Richmond, weshalb es für ihn nicht grade leicht war wegzukommen. Aber er schaffte es immer: Niemand verschwand so wie unser Jolu. Er liebte seine Jacke, weil sie ziemlich weit runterhing (was in gewissen Ecken der Stadt ziemlich stylisch war) und sein Katholikenschul-Outfit komplett überdeckte, denn das war ja wien Fadenkreuz für Schnüffelspinner, die das Schwänzer-Moblog in ihren Handy-Favoriten hatten.
    "Alles abmarschbereit?", fragte ich, sobald wir mit sämtlichen Hallos fertig waren. Ich holte mein Handy raus und zeigte den anderen die Karte, die ich in der BART runtergeladen hatte. "Soweit ich es begriffen habe, müssen wir zum Nikko zurück, einen Block dahinter Richtung O'Farrell, dann links hoch Richtung Van Ness. Da irgendwo müssten wir das Funksignal kriegen."
    Van zog die Stirn kraus. "Das ist eine eklige Ecke vom Tenderloin." Da war nichts dran zu deuteln. Dieser Teil von San Francisco ist eins der schrägeren Viertel: Geh durch den Vordereingang des Hilton, und du hast den ganzen Touristenkram wie den Cable-Car-Wendepunkt und die Familien-Restaurants. Geh durch zur anderen Seite, und du kommst im Loin raus - dem Sammelbecken sämtlicher abgewrackter Transen-Huren, harter Zuhälter, Dealer und durchgeknallter Penner der Stadt. Was dort gehandelt wurde, dafür war keiner von uns alt genug (obwohl sich auch reichlich Nutten unseres Alters im Loin anboten).
    "Denk positiv", entgegnete ich. "Da will sich nun wirklich niemand rumtreiben außer am hellichten Tag. Also lassen sich die anderen Spieler frühestens morgen da blicken. Wir im ARG-Gewerbe nennen so was einen Monster-Vorsprung."
    Jolu grinste mich an. "Wenn man dich hört, klingt das richtig gut."
    "Besser als Uni zu essen allemal", sagte ich.
    "Quasseln wir oder gewinnen wir?", mischte sich Van ein. Sie war nach mir definitiv der härteste Spieler unserer Gruppe. Gewinnen war etwas, das sie sehr, sehr ernst nahm.
    Wir machten uns auf den Weg, vier gute Freunde, einen Hinweis zu decodieren, das Spiel zu gewinnen - und für immer alles zu verlieren, was uns jemals wichtig war.
    [x]
    Die physische Komponente des heutigen
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