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Listiger Freitag

Listiger Freitag

Titel: Listiger Freitag
Autoren: Garth Nix
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Gewand, das beim Gehen schimmerte und überall Lichtreflexe tanzen ließ, dazu einen Hut, der mit bunten Glassplittern, vielleicht sogar mit Diamanten übersät war; das goldene Licht fing sich auch darin und strahlte so hell, dass es äußerst schwierig war, Lady Freitag längere Zeit ins Gesicht zu blicken.
    Die Treuhänderin hielt etwas Kleines in der Hand, das sogar noch heller war, so hell, dass man es unmöglich ansehen konnte. Blatt musste die Augen ganz zumachen, aber es blendete sogar durch die geschlossenen Lider und schickte einen stechenden Schmerz durch ihren Nasenrücken.
    Mit fest zusammengekniffenen Augen konnte Blatt natürlich nicht sehen, was als Nächstes passierte. Aber sie hörte etwas: die weichen Tritte vieler nackter Füße, die nach dem Klick-Klack der Bürgerschuhe und von Freitags Pfennigabsätzen schaurig klangen.
    Blatt wartete, bis Freitag vorbeigegangen war, dann öffnete sie die Augen.
    Der ganze Raum war voller Schlafwandler, die Freitag folgten. Eine lange Schlange von Leuten in blauen Nachthemden schlurfte mit geschlossenen Augen dahin, viele in der klassischen Pose mit nach vorn ausgestreckten Armen; andere wirkten so schlaff, dass Blatt sich fragte, wie sie sich auf den Beinen halten und laufen konnten.
    Sie waren alle ziemlich alt, die meisten Männer kahlköpfig oder ergraut, auf jeden Fall jenseits der siebzig. Die Frauen waren schwieriger zu schätzen, aber vermutlich auch in diesem Alter.
    Blatt beobachtete die Kolonne und überlegte, was sie tun sollte. Hunderte von Leuten wandelten an ihr vorbei, und sie fing schon an zu glauben, sie könnte sie einfach alle gehen lassen, sich unter dem Bett verstecken und dann hinausschleichen. Aber dann sah sie zwei Bürger, die die Schlafenden wie Schafe vor sich hertrieben. Mehrere Minuten und ein paar Hundert Leute später kamen zwei weitere Bürger vorbei. Vermutlich wurde das Ende der Reihe von noch mehr Bürgern bewacht.
    Schließlich sah sie etwas, was sie augenblicklich zu einem Entschluss kommen ließ.
    Ihre Tante Mango war dabei! Sie schlief fest und bewegte sich mit einem leisen, verträumten Lächeln.
    Blatt fuhr unwillkürlich auf, aber es gelang ihr gerade noch, sich wieder hinzulegen, bevor die nächsten beiden Bürger in den Raum kamen.
    Tante Mango war für sie und Ed fast wie eine zweite Mutter. Sie hatte bei Blatts Familie gelebt, solange sie sich erinnern konnte. Mango war die ältere Schwester ihrer Mutter, verhielt sich aber immer ein bisschen hilflos, als wollte sie an die Hand genommen werden. Blatt wusste nicht viel von ihrer Lebensgeschichte, aber Tante Mango war entweder mit einer leichten geistigen Behinderung auf die Welt gekommen, oder sie war ein wenig zurückgeblieben, weil ihr später etwas zugestoßen war. Jedenfalls war sie freundlich und liebevoll, aber im täglichen Leben völlig überfordert, und ihre begeisterte Unfähigkeit verlangte ständige Beaufsichtigung. Manchmal ging sie Blatt richtig auf die Nerven, aber Tante Mango war immer für sie da gewesen, hatte ihr Geschichten erzählt, sich ihre Sorgen angehört und sie getröstet.
    Blatt beobachtete ihre Tante, bis sie durch die andere Tür verschwand.
    Jetzt muss ich mit ihnen gehen, dachte sie. Tante Mango kommt mit wichtigem Kram nicht zurecht; sie hätte keine Chance. Aber ich habe nichts! Keine Waffe, keine Möglichkeit, mich mit jemand Brauchbarem in Verbindung zu setzen, keine Hauszauberei …
    Ihre Hand zuckte. Verstohlen griff sie sich an den Hals und tastete nach etwas, von dem sie wirklich, wirklich hoffte, dass es noch dort war, denn dann hätte sie doch etwas Magisches, das ihr vielleicht nützlich sein würde.
    Blatts Finger fanden das geflochtene Halsband aus Zahnseide und strichen daran entlang, bis sie sich endlich um die kleine geschnitzte Fischbeinscheibe schlössen, die Arthur ihr gegeben hatte. Das Medaillon des Mariners.
    In der Grenzsee hatte es Arthur nicht besonders geholfen, weil der Mariner so lange gebraucht hatte, um ihm zu Hilfe zu kommen. Aber gekommen war er schließlich doch. Das Medaillon verkörperte eine winzige Hoffnung auf ein Eingreifen von außen.
    Blatt lag da und sah die Schlafenden vorüberziehen. Unter der Bettdecke spannte sie immer wieder die Muskeln an, um die Schwäche zu überwinden, die die einwöchige Bettruhe mit sich gebracht hatte, Sie musste sich auf ihren Körper verlassen können.
    Endlich, nach einer halben Ewigkeit, in der mehrere Tausend Schläfer das Zimmer durchquert hatten, sah sie das
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