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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller
Autoren: Ein suendiger Engel
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haben,
ließ er sich neben ihr nieder. Ein angenehmer Duft nach Sandelholz und Minze
ging von ihm aus.
    »Varietékünstler?«
wiederholte Bonnie leise, denn alles, was mit Bühne und Künstlern zusammenhing,
faszinierte sie. Auch heute noch – obwohl diese Neigung ihr schon einmal Anlaß
zu bitterer Reue gegeben hatte.
    Der Fremde
nickte belustigt. »Ich vermute, daß sie ein Engagement im Pompeii Theater in
Northridge haben. Die meisten dieser Künstler reisen mit einer Truppe, aber es
gibt natürlich auch Ausnahmen.«
    Bonnie war
wildentschlossen, mehr darüber zu erfahren, und deshalb auch bereit, die
herrschenden Anstandsregeln zu verletzen und mit einem Mann zu sprechen, den
sie gar nicht kannte. Mit einem verstohlenen Blick auf die kleine Schauspielertruppe
sagte sie zu ihrem Sitznachbarn: »Dann muß Northridge aber mächtig gewachsen
sein, seit ich zuletzt dort war! Da gab es nämlich noch kein Theater.«
    Der Mann
lächelte und entblößte beneidenswert weiße Zähne. »Das Theater wurde vom
sogenannten > Freitagnachmittagsclub zur Verbesserung der Gemeinde < gegründet, der sich jedoch merkwürdigerweise immer dienstags morgens versammelt.
Der Club hat auch eine Bibliothek eingerichtet, in der jeden zweiten Donnerstag
abend Dichterlesungen gehalten werden.«
    Bonnie
erinnerte sich, wie sehr ihr in ihrer Kindheit Bücher gefehlt hatten. Selbst
nachdem sie lesen konnte, hatte sie nur eine alte Ausgabe von McGuffeys Reader besessen ... Bis Miss Genoa McKutchen sich mit ihr anfreundete und ihr
Leben unwiederbringlich veränderte.
    »Ich bin in
Nothridge aufgewachsen«, sagte sie zu dem Fremden. »Aber ich kann mich nicht
an Sie entsinnen, Mr. ...«
    »Hutcheson.
Webb Hutcheson. Ich lebe erst seit einigen Jahren in Northridge. Mein Pech –
wäre ich vorher dort gewesen, hätten wir uns vielleicht schon früher
kennengelernt.«
    Bonnie
errötete und senkte den Blick auf ihre Hände. Um nicht am größten Unglück ihres
Lebens zu verzweifeln, versuchte sie, sich auf das kleinere zu konzentrieren –
ihre besten Handschuhe, die so fleckig und verschmutzt waren, daß es bestimmt
keine Rettung mehr für sie gab.
    Mr. Hutcheson
schien zu erwarten, daß sie ihm ihren Namen nannte, aber Bonnie zögerte noch.
Wer auch nur entfernt mit der Geschichte von Northridge vertraut war, hätte
ihren Namen sofort erkannt. Die dortigen Hüttenwerke waren von Elis Großvater
erbaut worden, und Elis Schwester Genoa war ein anerkanntes Mitglied der
besten Northridger Gesellschaft. Andererseits wußte Bonnie, daß ihre Rückkehr
sich ohnehin bald in der Stadt herumsprechen würde. Warum sollte sie dann ihre
Identität vor einem Mann geheimhalten, der ihr seine so freimütig verraten
hatte? »Ich bin Bonnie McKutchen«, sagte sie.
    Mr.
Hutcheson beugte sich erstaunt vor. »Elis Gattin?«
    Bonnie
nickte stumm. Ein überwältigendes Gefühl der Einsamkeit erfaßte sie, und
beinahe hätte sie geweint – zum ersten Mal seit jenem kalten
Dezembernachmittag, als sie mit Eli am Grab ihres kleinen Sohnes Kiley
gestanden hatte, vereint in ihrem Schmerz, und doch voneinander entfernt, denn
jeder war in seinen eigenen Gram vertieft und damit unerreichbar für den
anderen.
    An jenem
Tag, als sie an der Spitze des langen Trauerzugs den Friedhof verließen, war
Elis Liebe zu Bonnie erloschen.
    Mr.
Hutcheson räusperte sich und deutete auf eine fette Schlagzeile in seiner
Zeitung. »Was halten Sie von dem Krieg mit Spanien?« fragte er Bonnie.
    Sie zuckte
zusammen und hoffte, daß ihr Reisebegleiter es nicht gemerkt hatte. Ganz
unwissentlich hatte er ein Thema angesprochen, das für sie fast so schmerzlich
war wie der Tod ihres Kindes. Es kostete sie große Beherrschung, nicht das
Gesicht in den Händen zu vergraben und ihren Tränen freien Lauf zu lassen. Wie
kalt, wie abweisend der Blick in Elis Augen gewesen war, als er ihr mitteilte,
daß er mit seinem Freund Teddy Roosevelt nach Kuba fahren würde. Für den Fall,
daß sie etwas benötigen sollte, hatte er kalt hinzugefügt, brauche sie sich nur
mit Seth Callahan, seinem Anwalt, in Verbindung zu setzen.
    »Ich
brauche dich !« hätte Bonnie am liebsten erwidert, aber das ließ ihr
Stolz nicht zu. Der einzige Einwand, den sie vorzubringen wagte – daß Eli
Geschäftsmann sei und kein Soldat – hatte nichts an seiner Entscheidung ändern
können.
    Um die
Visionen der Vergangenheit abzuschütteln, schloß Bonnie für einen Moment die
Augen und holte tief Atem, bevor sie sagte: »Die Spanier
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