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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller
Autoren: Ein suendiger Engel
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was sie zurückgelassen
hatte, aber immer noch zuviel, um von einer einzigen Person getragen zu werden.
Niemand würde sie erwarten. Bonnie hatte Genoa zwar telegrafiert, daß sie
kommen würde, ihr jedoch kein genaues Ankunftsdatum angeben können.
    »Das ist
sehr freundlich«, sagte sie leise. »Vielen Dank.«
    Während
Webb sich um ihr Gepäck kümmerte, stand Bonnie auf den ausgetretenen Planken
zwischen Zug und Bahnhof und schaute sich neugierig um. Sie war jetzt trotz
allem froh, wieder in Northridge zu sein. In New York war sie sich immer etwas
fehl am Platze vorgekommen und sich ihres Cinderelladaseins an Elis Seite stets
bewußt gewesen. Hier brauchte sie niemandem etwas vorzumachen; hier konnte sie
schlicht und einfach Bonnie sein, und niemand würde etwas anderes von ihr
verlangen.
    Durch diese
Gedanken ermutigt, fragte sie sich, ob wohl noch wilder Spargel an den
Eisenbahnschienen hinter Patch Town wuchs und wer in der Hütte leben mochte,
die sie einst mit Dad und Gran bewohnt hatte. Sie hoffte, daß das Geschäft
ihres Vaters durch die lange Vernachlässigung nicht in ernsthafte
Schwierigkeiten geraten war. Aber hinter all diesen Fragen lauerte eine
andere, viel elementarere: Würde Eli ihr nach Northridge folgen, wenn er
erfuhr, daß sie New York verlassen hatte?
    Es
herrschte reger Betrieb auf dem Bahnsteig. Rinder wurden aus den hinteren
Waggons auf eine nahe Koppel getrieben und erfüllten die Luft mit ihrem
ängstlichen Gebrüll. Auffallend gekleidete und geschminkte Prostituierte, die
in der Hoffnung, daß der Zug ihnen neue Kundschaft bringen würde, am Bahnhof
erschienen waren, wandten sich enttäuscht zum Gehen. Die Varietekünstler traten
sich beim Aussteigen gegenseitig auf die Füße, während sich das junge Mädchen
ganz bewußt von ihnen fernzuhalten schien.
    Endlich
fuhr Webb Hutchesons Wagen vor, ein bescheidener, aber sehr gepflegter
Zweispänner. Bonnies Gepäck wurde hinter dem schmalen Sitz verstaut. Die Dirnen
schauten mit neuerwachtem Interesse zu, als Webb ihr beim Einsteigen behilflich
war.
    »Ein Tanz
ist noch immer für einen Dollar zu haben, Webb«, rief ihm eine Rothaarige zu.
»Komm heute abend in den Brass Eagle und frag nach mir. Mein Name ist
Dorothy, falls du das vergessen haben solltest.«
    Webb
grinste verlegen und errötete. Er ließ die Zügel auf den Pferderücken knallen,
und sein kräftiger brauner Wallach setzte sich in Bewegung.
    Bonnie
schaute sich noch einmal nach den Frauen in den blauen, grünen, pinkfarbenen
und gelben Seidenkleidern um. »Die Damen scheinen Sie zu mögen«, stellte sie
lächelnd fest.
    Webb
lachte. »Damen? Es sind Tanzmädchen, und die lieben jeden Mann, der einen
Dollar in der Tasche hat«, entgegnete er.
    Tanzmädchen!
Bonnie mußte sich einfach noch einmal nach ihnen umschauen und beugte sich
dabei so weit aus dem Wagen, daß sie fast herausgefallen wäre. Nur Mr.
Hutchesons raschem Zugriff war es zu verdanken, daß es nicht geschah.
    Bonnie
errötete, als sie das belustigte Funkeln in seinen Augen sah. Sie hätte ihm
gern Fragen über diese Saloonmädchen gestellt. Verkauften sie außer Tänzen
auch ... ihre Gunst? Und stimmte es tatsächlich, daß viele von ihnen sich ein
Vermögen ersparten, um dann eine reiche Ehe einzugehen oder ein respektables
Geschäft zu eröffnen?
    Natürlich
konnte sie Webb Hutcheson nicht danach fragen, das verbot der Anstand. Aber sie
nahm sich vor, mit Genoa darüber zu sprechen, sobald sich eine Gelegenheit
ergab.
    Das
Hüttenwerk mit seinen langen Kaminen ragte genau wie früher von der Kuppe des
Berges auf, aber das hübsche neue Haus aus roten Ziegeln unten an der Straße in
der Nähe von Patch Town war früher noch nicht dagewesen. Auch dem
Bestattungsunternehmen gegenüber stand ein neuerbautes Gebäude mit
ausgesprochen eleganter Fassade. »Earline's« stand in verschnörkelter
Schrift auf einem Schild über der Eingangstür.
    »Earline's?«
fragte Bonnie. »Was hat das denn zu bedeuten?«
    Webb
räusperte sich umständlich, bevor er sich zu einer Antwort bequemte. »Es ist
eine Pension. Ich wohne auch dort – aber natürlich nur, bis mein eigenes Haus
gebaut ist.«
    »Ja, ja,
natürlich«, stimmte Bonnie gleichgültig zu. Wo Mr. Hutcheson lebte,
interessierte sie herzlich wenig. Aber sie konnte es kaum erwarten, das
Geschäft ihres Vaters wiederzusehen. Schade nur, daß Jack Fitzpatrick nicht da
sein würde, um sie willkommen zu heißen. Seine liebevolle väterliche Umarmung
hätte ihren Sturz
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