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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller
Autoren: Denn dein Herz kennt den Weg
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Segen,
zweifellos«, knurrte Christian, als er den Satz gelesen hatte. »Willst du deine
Sünden büßen, indem du dich in diesem Kloster einschließt?«
    Melissande
ließ die Feder so rasch über das Pergament gleiten, daß ihre Schrift in dem
großen Saal, wo die Bücher angefertigt wurden, keine Akzeptanz gefunden hätte. Ich
habe nicht gesündigt.
    Christian
stieß einen rauhen Seufzer aus und ließ sich wieder in die Kissen sinken. Er
war sehr blaß, seine schönen Augen blickten hohl und freudlos. »Ich habe dich
geliebt«, sagte er, »und du hast mich in die Sklaverei verkauft.«
    Sie starrte
ihn nur an. Selbst ohne ihren Eid, nicht mehr zu sprechen, hätte sie in diesem
Augenblick kein Wort hervorgebracht. Ihre Augen mußten jedoch die Frage verraten
haben, die ihren Geist bewegte, denn Christian antwortete, als hätte sie seine
ungeheuerliche Beschuldigung lautstark zurückgewiesen.
    »Eines
Tages, Melissande«, stieß er hervor, »wirst du dich dem himmlischen Gericht zu
stellen haben. Und dann wirst du dich für deinen Verrat rechtfertigen müssen.«
    Sie
schrieb: Ich habe keinen Verrat begangen! Warum beschuldigst du mich dessen?
    Christian las
die Worte, aber es war offensichtlich, daß nun die letzte Kraft aus seinen
zerschlagenen Muskeln wich.
    »Lügnerin«,
murmelte er noch, bevor er die Augen schloß und einschlief.
    Melissande
hätte ihn am liebsten wachgerüttelt, um eine Erklärung – nein, Entschuldigung!
– zu fordern für die furchtbaren Anklagen, die er gegen sie erhob, aber das tat sie
natürlich nicht. Christian befand sich noch immer in Gefahr, obwohl er aus der
Bewußtlosigkeit erwacht war und sein legendäres Temperament bewiesen hatte. Und
Schlaf war die beste Heilung, pflegte Mutter Erylis zu sagen.
    Bruder
Nodger betrat das Krankenzimmer, als Melissande es gerade verlassen wollte; er
begrüßte sie mit einem Nicken und einem neugierigen Blick, als sie an ihm
vorbeihuschte, bevor er hineinging, um seinen Patienten zu untersuchen. In
Gedanken wünschte Melissande ihm mehr Glück, als sie selbst gehabt hatte, und
kehrte zu ihrem Zeichentisch im großen Saal zurück.
    Erst als
sie ihren Platz erreichte, fiel ihr ein, daß sie Feder, Tinte und Pergament auf
dem Nachttisch neben Christians Bett vergessen hatte. Vielleicht wäre sie nicht
zurückgegangen, wenn die Worte nicht gewesen wären, die sie auf das schwere
Pergament gekritzelt hatte. Sie wollte sie auf keinen Fall jemandem erklären
müssen.
    Doch für
solche Vorsichtsmaßnahmen war es leider schon zu spät, denn als Melissande das
Krankenzimmer wieder betrat, war Mutter Erylis schon da und hielt das Pergament
in einer Hand, während sie mit Bruder Nodger sprach. Christian, den der Besuch
des Mönchs nicht geweckt zu haben schien, schlief noch immer friedlich.
    Bei
Melissandes Erscheinen richtete Mutter Erylis einen strengen, aber auch
liebevollen Blick auf sie. »Ah, du bist es, Kind«, sagte sie in resigniertem
Ton. »Gut, daß du kommst, denn das erspart mir die Mühe, dich zu suchen.«
    Melissande
errötete. Sie kam sich vor wie ein Kind, das etwas angestellt hatte und von
seinem Lehrer gescholten wurde. Aber es war kein Trotz in ihr, und so neigte
sie nur zustimmend den Kopf und wartete auf der Türschwelle auf Anweisungen.
    »Wir werden
draußen im Garten reden, am Brunnen«, entschied die Äbtissin ruhig. »Oder
zumindest werde ich reden. Du, fürchte ich, wirst nur zuhören.«
    Melissande
nickte von neuem und begab sich an den vereinbarten Ort, wo sie sich auf eine
steinerne Bank setzte. Er war eine Bastion des Friedens, dieser Rosengarten
neben der Kapelle, mit dem Himmel, der sich wie eine blaue Kuppel darüber
wölbte, und den Blättern der Ahorn- und Eichenbäume, die ihre silbergrünen
Sommerlieder wisperten. Es schien, als hätte der Regen der vergangenen Nacht
die Welt wieder reingewaschen.
    Mutter
Erylis erschien, schon kurz nachdem Melissande auf der Steinbank vor dem
plätschernden Springbrunnen Platz genommen hatte.
    Mit einem
aufmunternden Lächeln setzte die alte Frau sich neben sie und faltete die
gichtgekrümmten, verarbeiteten Hände über ihrem umfangreichen Bauch. »Du bist
jetzt zwei Jahre bei uns«, begann sie und betrachtete das Wasser, das im
Sonnenschein wie Diamanten funkelte, die ständig ihre Form veränderten. »Im
ersten Jahr warst du voller Trauer. Im zweiten hast du nicht gesprochen. Und
jetzt Kind, bitte ich dich, als deine spirituelle Beraterin, dein Gelübde
aufzugeben. Ich glaube nicht,
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