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LIMIT - reich, gewissenlos, tot

LIMIT - reich, gewissenlos, tot

Titel: LIMIT - reich, gewissenlos, tot
Autoren: Sullivan Mark T.
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Eingang und einer von Grünpflanzen abgetrennten Lounge und beobachtete unauffällig das Geschehen. Auch dies war eine alte Angewohnheit: Mit der Umgebung zu verschmelzen und dabei die Augen offen zu halten, hatte zu seinen Agentenpflichten gehört.
    Fast zehn Minuten stand er so, zunehmend besorgt wegen der rasanten Gangart der Geschäftsabschlüsse, als er jemanden mit starkem deutschen Akzent sagen hörte: »Ich hab eben mit Zürich telefoniert. Es gibt viel mehr Leerverkäufe an den Börsen als erwartet, viel mehr Sicherungsgeschäfte als sonst zu dieser Jahreszeit.«
    »Wer ist daran beteiligt?« Die zweite Stimme, ziemlich rau, gehörte einem Amerikaner.
    »Das weiß keiner«, sagte der Deutsche. »Allerdings soll einer davon Treadwell sein.«
    Hennessy spähte durch den Blätterwald, sah die Silhouetten zweier Männer, die in Clubsesseln saßen und Espresso tranken. Obwohl sie ihm den Rücken zukehrten, erkannte er sie auf der Stelle.
    Der Größere und Ältere der beiden war Albert Crockett, ein berüchtigter Corporate Raider und der fünftreichste Mann der Welt. Crockett war um die siebzig und hatte die Ausstrahlung eines Totengräbers: hängende Schultern, das spärliche Haupthaar bereits ergraut, Leichenbittermiene. Der andere war Friedrich Klinefelter, der siebtreichste Mann der Welt. Er leitete die Firma Mobius Hedge Funds L. L. C., die in den vergangenen drei Jahren weltweit den meisten Profit eingefahren hatte. Klinefelter war ein Spätfünfziger mit falkenhaften, aristokratischen Zügen und silbergrauem Haar, das er straff nach hinten gegelt trug wie ein veraltetes Ralph-Lauren-Model. Er trug sportliche Kleidung, Tuchhose und Pullover, seine Haltung aber war steif und sein Blick unstet.
    »Sind Sie sicher, was Sir Lawrence angeht?«
    »Es handelt sich um Gerüchte«, erwiderte Klinefelter. »Aber bei diesen großen Mengen müssen noch andere involviert sein. Irgendjemand weiß etwas.«
    »Ach was!«, knurrte der Corporate Raider. »Die spinnen doch. Die Aktienmärkte sind stark. Die Kurse gehen so bald nicht den Bach runter.«
    »Und was ist mit Burns? Der hat die Cashquote erhöht, genau wie Ross Perot vor dem Schwarzen Montag 1987 .«
    »Das hat er Lou Dobbs erzählt, jetzt schießen sich alle auf ihn ein«, sagte Crockett wegwerfend. »Die Story im
Journal,
ätzend … Da drüben ist Treadwell. Wer steht denn da neben ihm? Ist das Doore?«
    Hennessy merkte auf und sah, dass Sir Lawrence Treadwell und Jack Doore bereits zurückkamen. Seine Gedanken wirbelten.
Horatio hat die Cashquote erhöht, und Sir Lawrence und noch ein paar andere starten Leerverkäufe.
Er hatte eine Menge gelernt in den vergangenen vier Jahren hier im Jefferson Club, aber im Augenblick zählte für ihn nur das eine: Wenn Finanzmärkte einbrachen, ging der kleine Anleger zugrunde, während der Profi ein Vermögen verdiente. Er musste mit seinem Finanzberater sprechen. Jetzt gleich.
    Doch da blieben Jack Doore und Sir Lawrence vor ihm stehen und gaben einander die Hand.
    »Ich komme auf Sie zurück«, sagte Doore.
    »Warten Sie nicht zu lange«, meinte Treadwell. »Die Gelegenheit ist günstig.«
    »Alles klar«, sagte Doore, ehe er sich an Hennessy wandte. »Chili mit Käse?«
    Hennessy nickte. »Unbedingt.«
    Sie gingen über den langen Flur zurück zum Atrium. »Wie schätzen Sie unsere Wirtschaft momentan ein, Sir?«, fragte Hennessy.
    Doore sah ihn verwundert an. »Sie sind schon der zweite innerhalb von zehn Minuten, der mich das fragt.«
    »Tut mir leid. Es ist nur, weil gemunkelt wird, dass es so viele Leerverkäufe gibt.«
    Doore zuckte mit den Schultern. »Was soll ich dazu sagen? Ich sehe keine Probleme für YES !.«
    »Sir Lawrence zum Beispiel geht short«, sagte Hennessy.
    »Ach ja?«
    »Heißt es.«
    »Ich habe YES !-Aktien gekauft, weil ich fand, dass sie unterbewertet sind«, sagte Doore. »Aber was weiß ich schon? Sir Lawrence ist einer der cleversten Investoren der Welt, ich dagegen bin Wissenschaftler, kein Geschäftsmann.«
    Doores Familie saß an einem Tisch am Fenster und sah zum Skihang hinüber. Stephanie Doore war eine schlanke Blondine Ende dreißig mit anmutigem Lächeln und vollendeten Manieren. Ian, der fröhlich Eiscreme in sich hineinschaufelte, war ungefähr acht, etwas breit gebaut und hatte einen blonden Bürstenhaarschnitt. Dass er leicht autistisch veranlagt war, bemerkte man kaum.
    Jack Doore setzte sich neben seine Frau, schaute aus dem großen Panoramafenster und wollte gerade etwas
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