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Liliane Susewind – Tiger küssen keine Löwen (German Edition)

Liliane Susewind – Tiger küssen keine Löwen (German Edition)

Titel: Liliane Susewind – Tiger küssen keine Löwen (German Edition)
Autoren: Tanya Stewner
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sagte Trina und marschierte ohne ein weiteres Wort los.
    Lilli rührte sich nicht. Hatte Frau Essig-Steinmeier Trina tatsächlich beauftragt, sie abzuholen? Was, wenn das eine Falle war?
    Trina drehte sich nach ihr um. »Hast du etwa Schiss?«
    Da trat Finn neben Trina auf den Pfad. »Lilli, kommst du nicht? Wir müssen uns um Samira kümmern.«
    Lilli setzte sich in Bewegung und schloss mit ein paar schnellen Schritten zu Finn und Trina auf. Wenn Finn dabei war, musste sie sich keine Sorgen machen.
    Finn sagte zu Trina: »Ich gehe allein mit Lilli zum Gehege. Du wirst bei der Säuberung des Reptilienhauses gebraucht.«
    Trina verzog unwillig das Gesicht. »Ich soll schon wieder Putzfrau spielen?«
    »Hast du ein Problem damit?« Finn blieb stehen. »Dann hast du dir den falschen Beruf ausgesucht.«
    Trinas Augen verengten sich. Sie schien abzuwägen, ob sie sich einfach weigern konnte. Finn war schließlich nicht ihr Chef, sondern nur ein anderer Auszubildender.
    Finn sah ihr fest in die Augen, und Trina senkte den Blick. »Nein, ich habe kein Problem damit«, würgte sie hervor, und in ihrem Gesicht erkannte man die unterdrückte Wut. Sie stapfte mit zornigen Schritten davon.
    Finn blickte ihr nach, und als er weitersprach, schwang in seiner Stimme eine Spur Misstrauen mit. »Irgendwie ist mir wohler, wenn Trina nicht dabei ist.«
    Lilli hätte am liebsten heftig genickt, ließ es dann aber bleiben. »Wer ist Samira?«, fragte sie stattdessen neugierig.
    »Unsere Tigerin. Sie scheint seit einiger Zeit nicht mehr die Alte zu sein. Sie wirkt auf mich, als ob sie Schmerzen hätte. Aber sicher sind wir uns nicht. Vielleicht kriegst du ja was raus.«
    »Ich werde es versuchen.« Lilli folgte Finn durch den Zoo bis zu den Raubtierkäfigen. Wieder kamen sie an dem schwarz gefleckten Leoparden vorbei. Die zierliche Raubkatze lag auf dem Ast eines Baumes, dem Gitter recht nah, und betrachtete Lilli interessiert. Ihr langer Schwanz schwang langsam hin und her.
    »Hallo«, sagte Lilli leise im Gehen. »Wer bist du?«
    »Ich bin Feodor«, antwortete der Leopard. »Mir ist langweilig. Hier gibt es nichts zu jagen.«
    »Verstehe.« Lilli hätte gern länger mit dem Leoparden gesprochen, aber Finn war schon weitergegangen. Sie folgte ihm so schnell wie möglich.
    Vor dem Tigergehege hielten sie an. Samira, die Tigerin, lag vor der hinteren Wand ihres Käfigs. Anscheinend schlief sie.
    »Gutes Timing«, sagte Finn mit einem Blick zum Löwengehege, das direkt neben dem der Tigerin lag. »Shankar zieht gerade seine Show ab. Die Leute sind also abgelenkt.«
    Lilli folgte Finns Blick. Der Löwe stand wieder wie eine Statue auf dem Felsen, den Kopf stolz erhoben. Der Wind strich durch seine buschige Mähne und sein sandfarbenes Fell glänzte in der Nachmittagssonne wie Gold. Lilli dachte bei sich, dass sie noch nie ein schöneres Tier gesehen hatte. Trotzdem überkam sie wieder das Gefühl, dem Löwen ginge es nicht gut. In seinen Augen lag ein wehmütiger Ausdruck, eine starke Sehnsucht, die außer ihr niemand zu bemerken schien.
    »Er ist traurig«, murmelte Lilli nachdenklich.
    »Wer? Shankar?«
    Lilli nickte. »Kannst du mir sagen, warum er da oben auf dem Felsen steht?«
    Finn strich sich ratlos über sein hellbraunes Haar, das er auch an diesem Tag wieder zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. »Tja, ich dachte, du könntest uns das irgendwann erklären. Wir haben keinen Schimmer, warum er sich so in Pose schmeißt. Wie du siehst, sind die Besucher allerdings ganz begeistert von Shankars Anblick. Schau dir mal an, wie viele Leute vor seinem Käfig stehen!«
    Vor Shankars Gehege drängelten sich zahllose Besucher. Jeder schien den Löwen fotografieren oder ihn einfach nur ansehen zu wollen. Manche Leute standen mit offenem Mund da.
    »Zum Glück ist dadurch gerade niemand hier bei Samira«, sagte Finn. »Sobald Shankar auf den Felsen steigt, haben alle nur noch Augen für ihn. Da könnte ein zweiköpfiger Marsmensch vorbeispazieren – das würde niemandem auffallen. Wir können also ganz in Ruhe mit Samira reden.«
    Die Tigerin hatte geschlafen, als Finn und Lilli zu ihrem Käfig kamen. Doch sobald sie Lillis Stimme hörte, stellte sie ein Ohr auf. Kurz darauf folgte das zweite, und dann sprang sie auf.
    »Wieso verstehe ich, was du sagst?« Samira eilte ans Gitter und musterte Lilli mit wachem Blick. »Du bist ein Mensch – wieso kann ich dich verstehen?«

    Die tiefe, volltönende Stimme der Tigerin klingelte Lilli
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