Lila Black 03 - Elfentod
verlangt von dir, zu einem ihrer Augen zu werden … Er klang sehr skeptisch und ängstlich. So wie er es sagte, vermutete Lila, dass es mehr als ein paar Gespräche nach sich ziehen würde, zu Madames Auge zu werden. Sie musste jetzt abwägen, wo sie stand und wo die Dämonin stand, ob dieser Handel echt war und so wie er erschien, oder ob mehr dahintersteckte. Vor den Fenstern stieg funkelnder, zitronengelber Dampf auf und verflüchtigte sich dann in der Luft. Die Schwaden zogen sanft durch die Vorhänge dort draußen. Über ihnen krächzte plötzlich ein Rabe in der Dachrinne harsch auf, und dann erklang das kurze, ohrenbetäubende Flattern von Flügeln.
Wilder Äther.
Eine mächtige Verbindung bahnte sich an und damit auch das Risiko eines Spiels. Wenn Lila wenigstens ein bisschen Magiegespür besäße. Aber sie war ein Mensch, und darum war da nichts zu wünschen. Sie konnte den Äther nur durch Tath wahrnehmen, wenn er ihr seine Sinne lieh. Dämonen hielten jedoch stets ihr Wort, das wusste Lila. Sie würde Informationen suchen, und im Gegenzug würde sie weitere Technik in die Finger bekommen. Dieser Weg erschien ihr einfacher, als an Dr. Williams, ihrer Chefin, und anderen im Geheimdienst vorbeizukommen, um an Informationen zu gelangen, die diese Personen nicht offenbart sehen wollten. Sie wusste, dass diese Leute mehr Puzzleteile in den Händen hielten, aber in denselben Händen hielten sie auch Systeme, die direkt auf Teile ihrer KI zugreifen konnten, und sie wollte auf jeden Fall vermeiden, dass diese Systeme erneut genutzt wurden. Es war ihr Wunsch, den sie sich kaum selbst eingestehen konnte und der all ihre Energie verzehrte, sich völlig von äußerer Beeinflussung frei zu machen. Sie wollte nicht mehr der gehorsame Roboter des Geheimdienstes sein.
Lila sah Madame an, aber in den Vogelaugen zeigte sich kein menschliches Gefühl, und der Schnabel verriet natürlich auch nichts. Thingamajig zuckte und murmelte auf Lilas Schulter, schlug mit der freien Hand ein Schutzzeichen.
Tath sagte: Wenn sich ein größeres Spiel anbahnt als das, von dem sie spricht, dann wäre ich an deiner Stelle nicht so erpicht darauf einzuschlagen.
Lila musste zugeben, dass er da recht hatte. Madame war ganz sicher tödlich, und ihre Ränke waren vermutlich bedeutend gerissener als alles, was Lila sich einfallen lassen könnte. Darum bildete sie sich auch nicht ein, sie könnte die Dämonin austricksen. Egal ob es ein Spiel gab oder nicht – dies war die einzige Möglichkeit für Lila zu bekommen, was sie wollte.
Sie nahm den Stein entgegen. Er war warm und fühlte sich so sehr nach Fleisch an, dass sie ihn beinahe hätte fallen lassen.
»Steck ihn in die Tasche«, riet ihr die Dämonin. »Eine Tasche, die du nicht oft benutzt.«
Lila entschied sich für eine kleine Tasche mit Reißverschluss an ihrer Kampfweste. Sie musste sich zwingen, das Auge nicht so schnell wie möglich hineinzustecken, weil sie die Dämonin nicht beleidigen wollte. Die Berührung des Dings war so unangenehm, dass sie dazu ihre ganze Selbstbeherrschung brauchte. Endlich war die Tasche verschlossen, und sie verbarg das Zittern ihrer Finger, indem sie die Hand fest auf die Tasche drückte.
»Gut«, sagte Madame abschließend.
Lila nickte und ignorierte die durch den Knecht geöffnete Tür. Stattdessen ging sie auf den Balkon und über das Geländer hinweg, um im Fallen ihre Raketenstiefel zu aktivieren. Unter ihr erstreckte sich das Gewirr des Suks in der Mittagshitze. Sie wollte ihn nicht so bald wieder betreten. Es war einfacher zu fliegen, und, so dachte sie mit einem grimmigen Lächeln, es passte auch besser zu jemandem, der gerade eingewilligt hatte, eine der Krähen zu werden.
3
Lila schlurfte zu ihrer Unterkunft im Ahriman-Anwesen zurück und versuchte zu ergründen, ob es schlau gewesen war, diesen Pakt mit Madame zu schließen. Vermutlich nicht. Aber sie sagte sich selbst, dass sie keine anderen Spuren hatte, und unterdrückte mit diesem Argument den beständig wieder aufkommenden Gedanken, dass immer mindestens zwei zum Tanz gehörten und sie die Spyware und Kontrollmechanismen, mit denen der Geheimdienst sie ausspionierte, auch umkehren und gegen sie verwenden könnte. Nur die Langeweile, die so ein Hin und Her mit den Sicherheitsmaßnahmen bedeuten würde, hielt sie im Moment davon ab. Und natürlich hatte sie auch Angst davor, Dinge zu erfahren, von denen sie im Moment eigentlich nichts wissen wollte – über sich
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