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Liegen lernen

Liegen lernen

Titel: Liegen lernen
Autoren: Frank Goosen
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verliebt war.«
    »Naja, gut, aber wieso?«
    Sie rutschte tiefer in den Sessel, warf den Kopf zurück und starrte an die Decke. »Tja, warum verliebt man sich. Ich weiß nicht. Ich hatte immer gedacht, du wärst anders. Du hattest immer so viel mit diesem ekelhaften Kuwelko zu tun, aber irgendwie wirktest du so… naja weich. Und das hat mich wohl interessiert.«
    »Habe ich dich gut behandelt?« wollte ich wissen.
    »Du hast mit meiner Mitbewohnerin geschlafen, hast du das vergessen?«
    »Nein. Es tut mir leid.« Gisela sah auf die Uhr. Sie wollte mich loswerden.
    »Du bekommst noch Geld von mir«, sagte ich. Sie sagte nichts. »Du hast mir damals Geld geliehen, für die Stereoanlage.«
    »Schön, daß du es nicht vergessen hast. Aber du kannst das Geld behalten.« Sie sah auf die Uhr.
    »Ja, dann gehe ich mal wieder.«
    »Gut«, sagte sie und stand auf.
    »Bist du nicht verheiratet?« fragte ich.
    »Mein Mann ist auf Geschäftsreise.«
    »Aha.« Geschäftsreise. Das hörte sich an wie etwas, das zu diesem Wohnzimmer paßte.
    Als wir an der Tür standen, gab ich ihr die Hand und ging nach draußen.
    Dann drehte ich mich noch einmal um und fragte sie, wie es ihr gehe. »Was macht dein Job? Du hast doch mal studiert.«
    »Das interessiert dich doch gar nicht wirklich«, sagte sie. »Ich wünsche dir alles Gute.« Und dann schloß sie die Tür. Ich ging ein paar Schritte, bis ich aus dem Licht über dem Eingang heraus war, und nahm noch ein paar Schluck Weinbrand.
    »Weich« hatte sie gesagt. Ich konnte mich nicht daran erinnern, »weich« gewesen zu sein oder mich jemals »weich« gefühlt zu haben.
    Ich lief etwa zwanzig Minuten, bis ich zu einer Bushaltestelle kam. Da wartete ich noch einmal eine Viertelstunde, bis der Bus kam, der mich zum Bahnhof brachte. Dort kaufte ich noch zwei Dosen Bier an einer Bude, die gerade schließen wollte, und setzte mich dann in die letzte S-Bahn nach Düsseldorf.
    Beck hatte gesagt, Gloria sei Redakteurin bei der Rheinischen Post und schreibe immer noch über Tennis. Tennis war keine ganz so große Sache mehr, aber sie fuhr immer noch zu den großen Turnieren. Ich hoffte, Gloria habe noch ihren alten Namen und stehe im Telefonbuch.
    In den ersten drei Telefonzellen im Düsseldorfer Hauptbahnhof fehlten die Telefonbücher. In der vierten stellte ich fest, daß Gloria nicht unter ihrem alten Namen registriert war. Jetzt saß ich fest. In der Nähe des Bahnhofs war ein McDonald’s, das noch geöffnet hatte. Ich setzte mich hinein und aß einen Big Mac und trank zwei Bier. Ich wurde langsam müde, und draußen war es kalt. Als McDonald’s dichtmachte, suchte ich eine Kneipe, fand eine, setzte mich an den Tresen und bestellte ein Alt, weil ich in Düsseldorf war. An den Tischen saßen nur Männer. Am Ende des Tresens schien eine Frau zu sitzen. Ihre Stirn schwebte über einem Glas Alt und einem leeren Schnapsglas, beides von ihren herabhängenden, strähnigen Haaren fast vollständig verdeckt. Irgendwann hob sie den Kopf und strich ihre Haare zurück. Es war tatsächlich eine Frau. Oder es hatte mal eine werden sollen. Ihr Gesicht war rot und geschwollen, und ein Auge zierte ein monströses, gelbblaues Veilchen. Sie bemerkte mich, sah mich an und zeigte mir ein paar bemerkenswert weiße Zähne, die nicht zu ihrer restlichen Erscheinung passen wollten. Sie rutschte von ihrem Hocker und kam auf mich zu. Trotz des nahenden Winters trug sie eine enge kurze Hose und ein luftiges, grünes Top. Als sie sich neben mich setzte, konnte ich von der Seite sehen, wie ein sehr großer Büstenhalter versuchte, ihren sehr großen Busen einigermaßen zusammenzuhalten. Er schien nach allen Richtungen hin entfliehen zu wollen. Ich fragte mich, was meine Mutter gerade machte. Die Frau sagte hallo. Ich sagte auch hallo, ohne sie anzusehen.
    »Ich habe heute neue Zähne bekommen!« sagte sie.
    »Prima«, sagte ich.
    »Die anderen haben sie mir ausgeschlagen.«
    Ich fragte nicht nach, wer das gewesen sein könnte.
    »Irgendwelche Idioten. Haben mir die Handtasche geklaut und mich zu Boden gestoßen. Dann haben sie mir in die Fresse getreten. Ich sah wochenlang total Scheiße aus.«
    Klar, dachte ich, und jetzt bist du die frischgebackene Miß Düsseldorf.
    »Achtzehn Mark hatte ich in der Tasche. Idioten. Wer ist so blöd und beklaut eine dämliche Schlampe wie mich! Für zwei Alt lese ich dir aus der Hand.«
    »Vielen Dank«, sagte ich. »Kein Bedarf.«
    »Hör zu, ich könnte auch auf den Strich gehen,
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