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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale
Autoren: D Thomas
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keine Chance auf ihren Fang haben werden!«
    David setzte hauptsächlich darauf, dass die Japaner auf den kleinen Bluff mit den Reportern hereinfallen würden, der Restwaren leere Drohungen, die hatten noch nie gewirkt. Die Antwort kam prompt und bestand überwiegend aus dem Gelächter der Besatzung, ergänzt durch die Aufforderung, die Hurensöhne der »SeaSpirit« sollten sich endlich verpissen. Steve traute seinen Ohren nicht. Und seinen Augen auch nicht, als er sah, dass der Harpunier keinerlei Anstalten machte, sein Vorhaben abzubrechen, und mit seinem Geschütz direkt auf die Zodiacs, die sich zwischen die »Hikari« und die Wale geschoben hatten, zielte. David ergriff nun selbst das Megafon, doch weiter kam er nicht, denn die Matrosen der »Hikari« hatten bereits ihre Wasserschläuche auf sie gerichtet. Verdammter Mist.
    Plötzlich meldete sich Govinds Stimme per Funk: »David!  Hab Ketan auf dem Schirm, er muss irgendwo bei euch sein ...«
    David fluchte. »Wie weit entfernt?« Hektisch suchte sein Blick das Meer um ihn herum ab. Was, wenn er ihnen gefolgt war? Was, wenn die Japaner nicht mal davor zurückschrecken würden, einen Blauwal zu erlegen? Was, wenn ...
    Im gleichen Augenblick registrierte er, dass der Wal, der gerade vor ihnen auftauchte, kein Buckelwal war. Es war Ketan.
    David spürte, wie ihm das Blut in den Adern gefror. Die konnten da oben jeden Augenblick ihre Harpune abfeuern, wenn er nicht sofort etwas unternahm.
    »Er will zu mir!« Seine Stimme überschlug sich. »Gib Gas, gib Gas, er kommt direkt in die Schusslinie!«
    Der Harpunier der »Hikari« grinste, als er Ketan entdeckte. Nicht nur ein willkommenes, leicht auszumachendes Ziel – ein Blauwal dieser Größe war heutzutage ein Vermögen wert, brachte gut und gern seine 200 US-Dollar pro Kilo auf dem heimischen Markt. Allein ein neun Meter langer und acht Tonnen schwerer Zwergwal warf mindestens 2000  Kilogramm Fleisch und Speck ab, was einen Gegenwert von 400 000 Dollar bedeutete.Was würde erst ein Blauwal einbringen, der 25-mal so viel wog? Einige Millionen sicherlich.
    Im Bruchteil einer Sekunde rasten tausend Gedanken durch Davids Kopf. Als ob sie von jemand anderem geführt würde, tastete seine Hand im Staufach des Bootes herum. Nach kurzer Suche lag der metallene Griff der Leuchtpistole in seinen Fingern. Jetzt schnell die Patronen, bevor Ketan erneut auftauchte. Die Chancen dafür waren groß, denn er kannte Davids Zodiac nur zu gut. Kannte er auch die Gefahr, in der er sich befand, die Gefahr, in die ihn David jetzt selbst brachte? Bei dem Versuch, die Pistole zu laden, fiel David die Leuchtpatrone aus der Hand, verzweifelt suchte er sie am Boden.
    »Was willst du damit, was hast du vor?«, schrie ihn Masao an.
    Wertvolle Sekunden gingen verloren, bis es David gelang, die Patrone endlich in den Lauf zu schieben. Doch im gleichen Augenblick, als er den Arm ausstreckte, um seinen Warnschuss ein paar Meter über dem Harpunier zu platzieren, bemerkte er den Rückstoß der Kanone, den der Abschuss der Granate bewirkt hatte. So deutlich, als wäre es in Zeitlupe, konnte David den Lauf des Geschosses verfolgen, das direkt auf sie zusteuerte. Die Harpune war kaum zu hören, als sie in drei Metern Höhe über den Booten hinweg ihre Bahn zog. Nur das Nylonseil, das sich an ihrem Ende befand, surrte gefährlich nahe an den Köpfen vorbei, bevor sich der Stahl in den Fluten verlor.
    David schrie auf, als er sah, wie sich das Projektil in Ketans Leib bohrte. Für einen Moment schien alles um ihn herum zu gefrieren, als hätte jemand die Mechanik gestoppt, die den Lauf der Zeit in Bewegung hielt. Dann erfolgte eine dumpfe Detonation, und die Erkenntnis dessen, was gerade geschah, schien etwas in Davids Innerem in zwei Teile zu spalten: in den einen, der mitfühlte, was mit Ketan passierte, und den anderen, der nur noch wilden Hass empfand. Es war, als hätte sich die Granate insein eigenes Fleisch gebohrt, als würden ihre Splitter sich wie giftige Tentakel in das Geflecht seiner Nerven einbrennen, während sich die Widerhaken an der Spitze der Harpune unwiderruflich in seinem Körper verankerten.
    Steve schrie wütend, doch seine Stimme war nicht frei von Angst: »Sind die wahnsinnig, was, wenn einer von uns dabei draufgegangen wäre? Hast du das mitgedreht?«
    Die Frage galt Sam, der die Kamera bediente, doch Sam hörte ihn nicht. Unfähig zu reagieren, hielt er die Kamera, ohne weiter durch die Linse zu schauen, dorthin, wo sich
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