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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit
Autoren: A Forna
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wohlwollendes Interesse. Keiner von der eifersüchtigen Sorte, oder vielleicht empfand er mich auch einfach nicht als Bedrohung. Ich schaute zu, wie Julius die Hecktür öffnete, seinen Aktenkoffer auf die Zeitungen legte und zur Fahrerseite herumging, während Saffia auf den Beifahrersitz rutschte. Er stieg ein, betätigte den Hebel und schob den Sitz zurück. Als Saffia Julius gegenüber mein Interesse an Blumen erwähnte, sah ich meine Gelegenheit gekommen.
    Beim Wegfahren winkten sie mir zu. Ich stand da, und meine Gedanken folgten ihnen. Einen Moment lang fühlte ich mich seltsam verlassen. Doch das Gefühl verging, denn mittlerweile war ich im Besitz einer Einladung – sie am kommenden Montag zu Haus zu besuchen. Adresse und Uhrzeit waren sorgfältig in meinem Heft notiert.
    Samstagmorgen. Ich saß nach dem Frühstück auf der Veranda, blätterte die Zeitungen durch und rauchte eine Zigarette, als Vanessa erschien. Sie trug eine mürrische Miene zur Schau, ihre Lippen so fest aufeinandergepresst, dass ich, als sie den Mund öffnete, um etwas zu sagen, einen Strich in ihrem Lippenstift sah, wie einen Spülsaum. In den letzten paar Tagen hatte ich es gänzlich unterlassen, sie anzurufen. Es war klar, dass sie gekommen war, um mir eine Schlacht zu liefern.
    Bevor sie ein Wort herausbekommen konnte, sagte ich: »Genau die Person, an die ich gerade dachte.« Was mehr oder weniger stimmte. Ich war von frühmorgendlicher Lust erfüllt aufgewacht. Bevor ich aufgestanden war, um auf die Toilette zu gehen, hatte ich den diffusen Wunsch verspürt, sie bei mir zu haben. Selbst jetzt, trotz ihrer säuerlichen Miene, fühlte ich, dass das Verlangen zurückkehrte.
    Sie schob die Lippen zu einem Schmollmund vor. Sie trug einen engen Rock und eine knapp sitzende tamule mit Puffärmeln. Ihr Haar war entkraust und zu extragroßen Locken gebrannt worden. Keine Frisur, die ich sonderlich schätzte. Dennoch verriet sie, wie sehr sich Vanessa an dem Tag um ihr Aussehen bemüht hatte. Sie war mit Sicherheit nicht auf dem Weg in die Kirche.
    »Wo warst du die ganze Zeit?« Sie stand da, die Hände in die Hüften gestemmt.
    »Na hier«, sagte ich. »Wo sollte ich sonst gewesen sein? Kaffee?«
    In der Küche löffelte ich löslichen Kaffee in eine Tasse, goss heißes Wasser darüber und füllte dann die Tasse bis zum Rand mit Kondensmilch auf. Nur ein bisschen weniger, und sie hätte sich so aufgeführt, als wäre ich knickrig. Vanessa war die Sorte Mädchen, die Geiz missbilligt, ganz besonders bei einem Mann. Als ich wiederkam, hatte sie sich an den Tisch gesetzt. Ich stellte die Tasse behutsam auf den Tisch, dazu eine Schachtel Würfelzucker.
    »Bedien dich«, sagte ich. Zucker war für eine Frau wie Vanessa noch immer ein kleiner Luxus.
    Nach kurzem Zögern streckte sie die Hand aus und nahm zwei Würfel aus der Pappschachtel, ließ einen in die Tasse fallen, legte den anderen in einen Teelöffel, den sie in die heiße Flüssigkeit senkte, heraushob, senkte, und schaute zu, wie der Zuckerwürfel zerkrümelte und anfing, sich aufzulösen. Weiterhin ohne mich zur Kenntnis zu nehmen, führte sie den Löffel an ihre Lippen.
    »Es tut mir leid«, sagte ich. »Es war so viel los. Die Examina stehen vor der Tür, und ich muss meine Studenten vorbereiten. Jeden Abend spät zu Hause. Früh auf. Ich wollte dir keine Umstände machen.«
    »Ich hätte kommen und für dich kochen können.« Sie hielt die Augen gesenkt.
    »Das wäre zu viel verlangt gewesen.«
    »Mir macht das nichts aus.« Eine Pause; sie schob die Lippen zu einem noch übertriebeneren Schmollmund vor und warf mir von unten herauf einen Blick durch die Wimpern zu. »Ich hätte dir was vorbeischicken können.«
    »Du bist zu gut zu mir.« Ich stand auf und stellte mich hinter sie. Ich beugte mich hinunter und presste meine Lippen auf ihren Nacken. Sie tat so, als wollte sie sich fortwinden. Ich biss leicht ins Fleisch. Sie kicherte und protestierte, aber ohne rechte Überzeugung. Ich zog sie hoch, drehte sie zu mir herum und küsste sie. Ich schmeckte die Süße des Zuckers auf ihrer Zunge, das Wachs ihres Lippenstifts.
    Wir lagen bis zum späten Vormittag miteinander im Bett. Später schaute ich Vanessa dabei zu, wie sie in meiner Wohnung herumwirtschaftete, Zeitungen aufsammelte, den Tisch abräumte, meine Schuhe im Schrank verstaute. In diesen Augenblicken ertappte ich mich dabei, wie ich sie schon mit Saffia verglich. Vanessa war die Jüngere, und doch machte sie das
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