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Lieblingsstücke

Lieblingsstücke

Titel: Lieblingsstücke
Autoren: Susanne Fröhlich
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weitere vier Tage.
    Aber das Schlimmste an eBay ist das Verschicken der Ware. Vor allem, wenn es sich um ein Puppenhaus handelte, das nun beim besten Willen in kein handelsübliches Postpaket passte und die Verkäuferin, ich eben, sich schon schwer tat, ein durchschnittliches Weihnachtsgeschenk so zu verpacken, dass es nicht aussah, als habe ein Dreijähriger mit mangelnder Feinmotorik daran gearbeitet. Da die Käuferin, »Starwinnerin«, auch nicht um die Ecke, sondern mitten in der Lüneburger Heide lebte, konnte sie auch nicht eben mal vorbeikommen, um das Haus abzuholen. Das Ende vom Lied: Ich hatte jedes einzelne Puppenmöbelchen separat verpackt, in Folie eingeschlagen und
etwa zweihundert Meter Tesafilm verbraucht. Das Puppenhaus hatte ich dann mit einem Paketdienst verschickt und den Rest in einem Megapäckchen. Ins Päckchen hatte ich eine Postkarte gelegt und geschrieben: »Danke, bald kann ich nach Afrika. Und Sie haben mir dabei geholfen.« Unterschrieben hatte ich mit »Claudia«. Schließlich wollte sie ja nach Afrika.
    Nach all diesen Behauptungen war ich kurz davor, tatsächlich ihren Koffer zu packen. Man kann sich ja dermaßen in etwas reinsteigern, dass man am Ende fast selbst dran glaubt. Ich war kurz davor gewesen, das Kind gegen Gelbfieber impfen zu lassen.
    Der Aufwand hatte sich gelohnt. Starwinnerin (auch ein eher seltsamer eBay-Name, der auf eine gewisse Egozentrik oder gar eine narzisstische Störung schließen ließ) war verzückt und gab mir eine bombastische Bewertung. Diese Bewertungen sind bei eBay äußerst wichtig. Wusste ich, wie das meiste zu diesem Thema, von Heike. Wer keine gescheiten Bewertungen hat, dem trauen die eBayer nicht. Wie so oft im Leben gilt auch hier: Je mehr – je besser. Ähnlich wie im Dschungelcamp gilt es auch bei eBay Sterne zu sammeln. Zum Glück muss man dafür aber hier keine Kakerlaken schlucken oder in Maden baden.
    Obwohl ich es damals noch nicht ahnte – das Puppenhaus war mein Einstieg ins eBay-Geschäft. Schon allein deshalb, weil ich meine Klappe nicht halten konnte. Ich hatte überall rumerzählt, wie gewitzt ich gewesen war und wie erfolgreich ich das Puppenhaus verhökert hatte. Natürlich immer unter dem Siegel der Verschwiegenheit, schließlich sollte Claudia es ja nicht erfahren. Nachher hätte sie womöglich das Geld für sich beansprucht. Die kann in solchen Dingen sehr gewitzt sein und ist gerne mal auf
ihren Vorteil bedacht. Nicht unbedingt sympathisch, aber fürs Leben doch ganz erfolgversprechend.
    Ich hatte ja nicht ahnen können, was mein Geschwätz für Folgen haben würde. Zu Beginn war alles auch noch ganz harmlos. Die Erste war Tamara, meine Nachbarin aus dem Reihenhäuschen gegenüber.
    »Du, Andrea, ich würde so gerne auch mal was bei eBay verkaufen, aber ich kann das irgendwie nicht. Mit diesen Fotos und dann noch was schreiben, also das ist alles so kompliziert. Ich schaffe das nicht. Und du, du hast das so super gemacht. Kannst du mir nicht auch mal was verkaufen?«
    Ich war geschmeichelt. Tamara ist sonst keine der Frauen, die mit Komplimenten um sich schmeißen. Außer es handelt sich um ihren angeblich hochbegabten Sohn Emil. Da ist sie extrem großzügig mit Lob, so großzügig, dass es schon an Verherrlichung grenzt. Ansonsten beißt die sich eher die Zunge ab, als etwas Nettes über andere zu sagen.
    Insofern war ich auch einigermaßen verdattert gewesen und hatte in einem Anfall von Sich-extrem-geschmeichelt-Fühlen »Ja, klar, sehr gerne«, gesagt. Tamara hatte sich überschwänglich bedankt und schon eine Viertelstunde später mit einem Schwung Klamotten überm Arm vor meiner Tür gestanden. Da war es für einen Rückzug definitiv zu spät gewesen. Also hatten wir die Sachen gemeinsam sortiert. Eine komplizierte Angelegenheit, denn Tamara hatte zu jedem Teil einen kleinen Vortrag gehalten. Warum gerade dieses Kleidungsstück, obwohl es nicht direkt ein Designerteil war, doch von irrem Wert war. Sie hatte ein Gesicht gezogen, als müsste sie sich die Kleidungsstücke direkt aus dem Herzen reißen oder eine ihrer Nieren zum Verkauf anbieten. Ziemlich unverständlich, denn die
Teile waren nur eins: schön bunt. Wäre eine nette Auswahl für Farbenblinde oder Depressive gewesen. Ansonsten ist es mit knallbunten Sachen eher schwierig. Die meisten Frauen greifen intuitiv eher zu Schwarz. Auch Tamara. Ich hatte sie noch nie in dieser mintfarbenen Strickjacke gesehen, die jetzt hier vor mir lag. Strickpatchwork. Ein
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