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Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Susanne Mischke
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genau.
    »Schönes Wetter hatten wir heute«, sagte Lukas. »Was sagt der Wetterbericht?«
    »Soll so bleiben. Nur am Wochenende könnte es Hunde und Katzen regnen.«
    Lukas nickte ihr zu. Er haßte sie für ihre Gutmütigkeit hinter der er deutlich den Gestank der Gönnerhaftigkeit roch. Doch sie war zuweilen nützlich.
    »Gute Nacht, Herr Feller.«
    »Nacht, Conny. Passen Sie gut auf uns auf.«
    Sie kicherte. Dann fiel die Eisentür zu, und der Schlüssel schabte im Schloß.
    Mathilde sah den Umschlag schon durch das Fenster des Briefkastens. Sie öffnete den Brief auf dem Weg nach oben. Er enthielt eine Konzertkarte für den übernächsten Freitag. Flamenco.
    Sie lächelte, als sie beim Betrachten der Karte die Erinnerung einholte an jenen Herbstabend vor knapp zwei Jahren. Damals spielte die Abschlußklasse der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater, die sich nicht weit von Mathildes Wohnung befand, im Kammermusiksaal Beethoven-Sonaten. Mathilde hatte einen guten Platz, doch der Kunstgenuß litt durch das permanente leise Schniefen ihres Sitznachbarn. Sie hatte nur ein weißes, besticktes Tuch aus zarter Baumwolle dabei. Einen Moment zögerte sie. Doch jemand mußte diesem nervtötenden Geschniefe ein Ende bereiten, also reichte sie es dem Fremden.
    »Das kann ich nicht annehmen«, flüsterte er. »Das ist sicher ein Erbstück.«
    »Nehmen Sie es trotzdem.«
    Pschschscht!
    Nach dem Konzert bestand er darauf, sie nach Hause zu begleiten. Stumm gingen sie nebeneinander her durch die feuchte, tropfende Nacht. Ihre Schatten huschten über das glänzende Kopfsteinpflaster. Galant hielt er seinen Schirm, der immer wieder gegen die Krempe ihres Manhattans stieß, über sie. Mathilde war es nicht gewohnt, begleitet und beschirmt zu werden. Auch war es unnötig. Die Straßen, die sie passierten, gehörten zu den am besten bewachten der Republik. Eher war mit einer Personenkontrolle zu rechnen als mit Ganoven.
    »Danke«, sagte sie erleichtert, als sie endlich vor ihrer Haustür angekommen waren. Sie suchte in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel. Er klappte den Schirm zusammen und stand nun sehr dicht vor ihr unter dem kleinen Vordach. Das schwache Licht der Außenbeleuchtung wurde vom Nieselregen geschluckt, seine Augen lagen im Dunkeln. Er knetete seine Hände wie jemand, der vor einer schweren Aufgabe steht. Schöne Hände mit einem schmalen, goldenen Ehering.
    Mathilde hatte endlich ihre Schlüssel gefunden und öffnete die Haustür.
    »Ich beobachte sie schon seit einigen Wochen. Bei den Konzerten«, brach es aus ihm heraus.
    »Und weiter?« fragte Mathilde.
    Er zuckte mit den Schultern.
    Ohne ein weiteres Wort an ihn zu richten, betrat Mathilde den Hausflur und ging die Stufen hinauf. Sie lauschte auf das Zufallen der schweren Tür, aber es blieb aus. Mit einem Klacken schaltete sich die Beleuchtung aus. Stufen knarrten. Im dritten Stock schloß sie die Tür auf. Sie ließ sie offen, machte kein Licht, nahm den Hut ab und schlüpfte aus dem Mantel.
    Dann blieb sie stehen, horchte, fühlte ihren Herzschlag. Durch das hohe Fenster des Treppenhauses fiel silbriges Licht auf die Holzdielen des Flurs. Regentropfen glitzerten kalt an der Scheibe. Sie hörte langsame Schritte auf den alten Dielen. Sie kamen näher. Ein Schatten schob sich vor das Fenster. Dann Stille. Er war in ihrer Wohnung, ihre Nase witterte sofort den fremden Männergeruch. Die Tür glitt ins Schloß, eine Hand strich federleicht über ihren Rücken, Wirbel für Wirbel.
    Als Studentin hatte Mathilde eine Zeitlang selbstgedrehte Zigaretten geraucht, und stets war die allererste Zigarette einer frisch geöffneten Packung die köstlichste gewesen. In diesem Bewußtsein machte sie nun die Augen zu und legte den Kopf in den Nacken, denn sie wußte, daß es mit diesem Mann nie wieder so sein würde wie jetzt. Noch war er eine unbekannte Größe, eine leere Leinwand für ihre Phantasien. Später würde er ihr seinen Namen nennen, würde über seinen Beruf, seine Familie, sein Leben reden, doch in diesem Moment war er nichts als ein heißer Atem an ihrem Hals, eine Hand, die ihre Brust umschloß und ein anschwellendes Stück Fleisch, das sich zwischen ihre Pobacken drängte. Sie wandte den Kopf und preßte ihre Lippen auf seinen Mund. Er verstand. Es fiel kein Wort, auch nicht, als sie ihn längst in ihr Schlafzimmer geschleust hatte.
    Etwa zweimal im Monat fand Mathilde seither eine Konzert- oder Theaterkarte in ihrem Briefkasten. Nach den
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