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Liebesfluch

Liebesfluch

Titel: Liebesfluch
Autoren: Beatrix Gurian
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doch!«, sagt sie und holt einen vorbereiteten Salat aus dem Kühlschrank und übergießt ihn mit einer Soße, die sie aus diversen Behältern zusammenrührt. Über der Arbeitsfläche, die bis auf einen gewaltigen Steinmörser mit Stößel vollkommen leer ist, sind sehr helle Lampen installiert, sodass ich ihr Gesicht gut sehen kann. Obwohl die Haut straff über den Knochen liegt, kann ich viele Linien erkennen und tiefe Ringe unter den Augen. Sie ist eigentlich schon zu alt für so junge Kinder, überlege ich, aber vielleicht hatte sie ja eine künstliche Befruchtung. War es nicht so, dass dabei häufig Zwillinge geboren wurden?
    Hastig wende ich meinen Blick ab, als Anja sich zu mir umdreht, und tue so, als würde ich mich im Zimmer umschauen. Anja dreht sich wieder um, gibt einige Pfefferkörner in den Mörser, zerschlägt sie mit dem Stößel und löffelt sie dann über den Salat, den sie noch einmal prüfend anschaut und dann vor mich hinstellt.
    »Wo sind denn die Zwillinge?«, frage ich, während ich mich heißhungrig auf den Salat stürze. Irgendwie ist das Ganze so unwirklich. Vor einer Stunde saß ich voller Angst auf einem dunklen Parkplatz und nun bin ich in dieser hell erleuchteten Küche und plaudere mit einer Frau, vor der mich ihr eigener Mann vor ein paar Minuten noch gewarnt hat.
    Anja setzt sich zu mir und knabbert an einem Grissini herum. »Sie schlafen.« Sie seufzt. »Zum Glück. Aber ich hatte heute einen schweren Tag. Ich musste zum Arzt, weil beide so geschrien haben, dass ich sie nicht mehr beruhigen konnte. Leider konnte man uns nicht helfen und hat uns mit Schmerzzäpfchen abgespeist und wieder nach Hause geschickt.« Anjas Stimme klingt gequält und auf einmal wirkt sie noch müder als gerade eben unter dem hellen Licht der Küchenlampen.
    »Das tut mir leid«, antworte ich und meine es auch so. Stefans Frau sieht wirklich ganz schön mitgenommen aus.
    Sie seufzt. »Ja, mir auch. Die armen Dinger. Komm, schleichen wir uns kurz zu ihnen und schauen, ob sie schlafen.«
    Ich nicke natürlich und lege mein Besteck auf den Tisch, obwohl die ersten Bissen vom Salat meinen Hunger gewaltig angeheizt haben.
    Wir steigen die hier mit beigem Teppichboden belegte Treppe nach oben zum Ende des Flures. An der Tür kleben in bunt bemalten Holzbuchstaben die Namen der beiden: Mia und Benjamin.
    »Bennie ist der Jüngere von beiden«, sagt Anja und legt dann den Zeigefinger an ihre Lippen. Sie öffnet die Tür vollkommen geräuschlos.
    Links unter dem Fenster ist ein großer Wickeltisch, rechts in der Ecke vom Kinderzimmer stehen nebeneinander zwei wunderschöne Himmelbetten auf Rädern. Eines ist rosa, das andere hellblau. Wir schleichen uns näher.
    »Das hier ist Mia.« Anja zeigt auf das knapp ein Jahr alte Baby, das auf dem Bauch liegt und leise schnarchend schläft. Dann gehen wir zu dem blauen Bettchen, wo Bennie vollkommen geräuschlos atmet.
    Ich kann die beiden im Dämmerlicht, das im Zimmer herrscht, zwar nicht richtig anschauen, aber sie wirken superniedlich und ich bin wahnsinnig darauf gespannt, sie morgen kennenzulernen.
    Anja streicht beiden vorsichtig über die Köpfchen und seufzt. »Ich bin so froh, dass sie endlich schlafen. Träumt was Schönes, ihr zwei!«, flüstert sie.
    Ich finde es gut zu sehen, wie liebevoll sie mit den beiden umgeht. In diesem Moment muss ich an Stefans Geschichte denken – und an das tote Baby. Was muss diese arme Frau nicht schon alles durchgemacht haben!
    Nachdem Anja noch an ihren Decken herumgezupft hat, verlassen wir das Kinderzimmer wieder und gehen hinunter zum Esstisch.
    Während ich den Salat aufesse, fragt mich Anja über meine Familie aus und warum ich als Au-pair arbeiten möchte.
    »Weil ich gut mit Kindern umgehen kann«, antworte ich natürlich, denn das stimmt auch. Trotzdem verschweige ich, dass dieser Job für mich die einzige Chance war, etwas über Grannies große Liebe herauszufinden.
    Aber dann kommen wir natürlich doch auf Oma, denn nur ihretwegen kann ich ja so gut deutsch sprechen. Aber als ich sage, dass Oma aus Weitersheim stammt, interessiert das Anja nicht sonderlich. Sie will vielmehr wissen, ob ich mich mit Erster Hilfe auskenne, und ist begeistert, als sie hört, dass wir uns in dem Kinderpflegekurs ausführlich damit befasst haben.
    »Du bist müde, aber das ist auch kein Wunder nach der langen Reise, die du hinter dir hast«, stellt Anja angesichts meines andauernden Gähnens schließlich fest und lächelt mich freundlich
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