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Liebesfluch

Liebesfluch

Titel: Liebesfluch
Autoren: Beatrix Gurian
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ich dir noch sagen wollte: In diesem Auto gibt es einen Panikknopf – wenn man den drückt, dann sind alle Türen verriegelt. Und wenn man ihn noch einmal drückt«, er tippt mit dem Finger auf den Schalter, »dann gehen die Türen wieder auf.«
    Plötzlich kehrt die Anspannung in meinen Körper zurück. Er hat also ganz genau gemerkt, dass ich voller Angst die Türklinke umklammert hatte. Dabei war das vollkommen nutzlos, denn ich wäre aus dem Auto gar nicht rausgekommen.
    »Ich erzähl dir das nur, weil die Agentur gesagt hat, dass du einen internationalen Führerschein hast, und du mit diesem Auto auch oft fahren wirst, weil wir etwas abseits wohnen.«
    Er lächelt mir zu, dann gibt er Gas, fädelt sich wieder auf der Autobahn ein und konzentriert sich aufs Fahren.
    In meinem Kopf herrscht das reinste Durcheinander. Ich weiß nicht, ob ich das alles gerade nur deshalb so intensiv erlebe, weil ich so müde und überdreht bin, oder ob dieser Stefan wirklich ein bisschen merkwürdig ist.
    Wenn ich doch nur mit Vicky sprechen könnte! Ich hoffe, dass ich tatsächlich ein Zimmer mit Internetanschluss habe, damit ich gleich nachher mit ihr chatten kann. Wie es ihr wohl geht? Mit Sicherheit hatte sie keinen so merkwürdigen Start wie ich hier … Ich muss ein herzhaftes Gähnen unterdrücken und so wie es aussieht, werde ich wohl doch erst morgen früh dazu in der Lage sein, mich bei Vicky zu melden.
    Wir verlassen die Autobahn und fahren auf einer Landstraße weiter, die durch hügelige Landschaften führt.
    Vielleicht war es doch ein großer Fehler, nicht mit Vicky zusammen nach Paris zu gehen, sondern ganz allein nach Deutschland zu kommen. Und das nur, weil Grandma von hier stammt. Meine Freundinnen haben mich für verrückt erklärt, als ich ihnen von meinen Plänen erzählt habe. In den vorderen Odenwald statt nach Paris. Aber erstens kann ich kein bisschen Französisch, zweitens liebe ich Grandma über alles und wollte mehr über sie und Georg, ihre geheimnisvolle große Liebe, herausfinden und drittens wollte ich wissen, ob mein Deutsch wirklich alltagstauglich ist.
    Obwohl ich von dieser Parkplatzaktion immer noch völlig durcheinander bin und das Gefühl habe, dass das Blut durch meine Adern rast, muss ich schon wieder gähnen.
    Wir verlassen die Landstraße und nähern uns einer Siedlung mit wenigen Häusern. Nur ein paar Fenster sind schwach erleuchtet, ansonsten ist es draußen stockdunkel. Keine bunten Lichter wie in Las Vegas, die die Nacht erhellen. Keine orangefarbene Lichtglocke am Horizont. Unwillkürlich muss ich seufzen. Vegas …
    Hey, ich werde doch nicht jetzt schon Heimweh kriegen? Ich kann mir vorstellen, was Vicky dazu sagen würde: Selbst schuld! Warum musst du dich auch in so einem Kaff begraben, nur um in der Vergangenheit deiner Oma rumzuschnüffeln?
    Und gerade kommt es mir vor, als hätte sie vollkommen recht. Ich muss schmunzeln – Vicky kann ihre Meinung einfach nie für sich behalten. Aber das ist genau einer der Gründe, weshalb ich meine beste Freundin so gerne mag. Etwas aufgemuntert von dem Gedanken an Vicky starre ich aus dem Fenster und halte nach den Sternen Ausschau – und bin vollkommen entzückt, als ich wirklich welche am Himmel entdecken kann. In Vegas kann man so gut wie nie Sterne sehen!
    Nachdem wir die Siedlung hinter uns gelassen haben, biegen wir wieder ab und fahren auf ein schwarzes Loch zu, das bei Tageslicht vielleicht ein Wald ist. Davor steht ein hell erleuchtetes Haus mit vielen großen Glasfenstern. In meinen Tagträumen hatte ich mir immer vorgestellt, mein Arbeitsplatz wäre in einem Fachwerk-Lebkuchenhäuschen, aber das hier sieht mehr nach Kalifornien als nach Odenwald aus.
    »Viel Glück!«, sagt Stefan, bevor er aussteigt und damit beginnt, meine beiden roten Hartschalenkoffer aus dem Kofferraum zu wuchten.
    Viel Glück – wieso denn viel Glück? Warum nicht: Alles Gute? Oder sind meine Sprachkenntnisse doch nicht so gut, wie ich immer geglaubt habe? Grannie und Mom haben von Anfang an auch deutsch mit mir gesprochen, aber vielleicht hat sich ja manches geändert in den letzten Jahren. Schließlich ist es inzwischen schon fast fünfzig Jahre her, dass Grannie nach Amerika gegangen ist – und sie ist nie wieder nach Deutschland zurückgekehrt.
    Als ich zur Tür komme, ist Stefan bereits im Haus verschwunden. Und vor mir steht Anja. Ich bleibe einen Augenblick stehen, als sie mich von oben bis unten mustert, und kann nicht verhindern, dass auch mein
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