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Liebesfluch

Liebesfluch

Titel: Liebesfluch
Autoren: Beatrix Gurian
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Woodstock erst gestern gewesen, roch nach Patschouli und hatte für alles Verständnis. Meine Freundinnen erzählten ihr sogar Geheimnisse, die sie mir niemals verraten würden. Darauf war ich manchmal eifersüchtig, aber meistens nur kurz, denn ich konnte Grannie nie lange böse sein. Außerdem kann sie großartig kochen und Tarotkarten legen und mit ihren Vo­raus­sa­gen hat sie immer so gut ins Schwarze getroffen, dass alle meine Freundinnen der Überzeugung sind, dass sie eine Hexe sein müsste – eine gute Hexe natürlich.
    Vicky meint immer, dass ich vielleicht auch so eine Gabe habe wie Grannie. Tatsache ist, dass ich meiner Großmutter zum Verwechseln ähnlich sehe – das heißt, wenn man sich Fotos anschaut, auf denen Grannie so alt war, wie ich es jetzt bin. Vor allem haben wir beide die gleichen türkisblauen Augen. Deshalb hat Mom mir ja auch Blue als zweiten Vornamen gegeben.
    »Hallo-oo?«, ruft eine Stimme und reißt mich aus meinen Gedanken.
    Ich drehe mich um und sehe Anja, die mir über das Geländer der oberen Terrasse freundlich zuwinkt.
    »Möchtest du Frühstück?«, ruft sie.
    »Ja gern. Ich komme gleich.«
    Ich verlasse den Garten, dusche und ziehe mir Jeans und ein türkises T-Shirt an. In der Küche angekommen sehe ich, dass Anja eins der Babys mit einem Tuch vorne am Bauch trägt, während sie Kaffee kocht und Weißbrotscheiben in den Toaster schiebt. Sofort befällt mich ein schlechtes Gewissen, schließlich bin ich hier, um sie zu entlasten.
    Ich begrüße sie und frage, ob ich ihr das Baby abnehmen soll, aber sie schüttelt nur matt den Kopf. »Der Kleine braucht mich jetzt. Bennie hat die ganze Nacht geschrien. Ich weiß nicht genau, was er hat, aber ich fürchte, es ist etwas Ernstes.« Sie schaut mich mit großen Augen an und streichelt Bennie über den Kopf.
    Ich habe im Keller gar nichts davon mitbekommen. Wahrscheinlich liegt das Kinderzimmer zu weit entfernt und ich bräuchte schon das Babyfon, um zu hören, wenn die Kleinen schreien.
    »Wo ist denn Mia?«, frage ich und unterdrücke ein Gähnen.
    »Sie schläft noch.«
    »Soll ich sie holen, frühstücken wir mit den Kindern? Soll ich einen Brei machen?«, frage ich, weil ich mir zunehmend überflüssiger vorkomme.
    Anja nickt dankbar. »Ja, wir sollten sie wecken, sonst macht Mia später keinen Mittagsschlaf. Außerdem muss sie jetzt auch endlich etwas essen.«
    Ich laufe die Treppe nach oben zum Kinderzimmer und bin sehr gespannt, wie meine erste Begegnung mit Mia ausfallen wird. Vorsichtig öffne ich die Tür und schaue mich erst mal um. Zwei Drittel der Wände sind zartblau gestrichen und das obere Drittel ist mit einer breiten Bordüre beklebt, auf der Tiere im Zoo zu sehen sind.
    Die Wickelkommode vor dem Fenster hat eine dicke weiche Polsterauflage, die mit Herzchen verziert ist. Über dem Tisch hängt ein zartes Mobile aus bunt schillernden Fischen, die sich beim leisesten Lufthauch bewegen. Rechts und links neben dem Fenster befinden sich schwere Vorhänge, auf der man die Tigerente auf dem Weg nach Panama bewundern kann.
    »Guten Morgen, kleine Prinzessin«, singe ich, während ich mich ihrem duftigen rosa Himmelbettchen nähere. »You are my sunshine, my little …« Ich beuge mich über das Baby, registriere diesen Geruch nach Puder und verschütteter Milch und merke sofort, dass hier etwas nicht stimmt.
    Mia sieht ganz blau aus. Panik überfällt mich und ohne weiter nachzudenken oder mich an das zu erinnern, was ich in den Kinderpflegekursen gelernt habe, hebe ich sie aus dem Bettchen und stürme nach unten.
    »Anja! Mia … mit Mia stimmt was nicht, ich glaube, sie atmet nicht.« Mein Herz schlägt bis zum Hals und gerade, als die Panik mich zu überwältigen droht, schlägt Mia ihre Augen auf. Hinreißende blaue Kulleraugen schauen mich verwundert an, dann kommt ihre hellrosa Zungenspitze zwischen den Lippen zum Vorschein.
    Tränen der Erleichterung schießen mir in die Augen. Sie lebt also. Mia lebt.
    Anja rennt herbei, reißt mir die Kleine aus dem Arm und presst sie fest an sich, was nicht einfach ist, weil sie ja Bennie noch um den Bauch trägt.
    »Oh mein Gott, sie ist ja ganz blau. Ruf sofort einen Krankenwagen und bestehe darauf, dass sie einen Kindernotarzt mitschicken!«
    »Wo ist das Telefon?«, frage ich und merke, dass ich angefangen habe, am ganzen Körper zu zittern.
    Anja zeigt zum Flur, ich renne raus, aber da ist kein Telefon, dann entdecke ich ein Handy auf dem Küchentisch und nehme das.
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