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Liebeserwachen in Virgin River

Liebeserwachen in Virgin River

Titel: Liebeserwachen in Virgin River
Autoren: Robyn Carr
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Giebelschnitzereien. Mit den beiden Türmen an der Vorderseite des Gebäudes sah es aus wie ein herrschaftliches Schloss. Die hellbraun und weiß gestrichene Veranda war repariert worden; Türen und Fenster erneuert. Es war erstaunlich gut im Schuss und gut renoviert worden. Das Haus mochte zwar hundert Jahre alt sein, allerdings wirkte es so frisch und neu wie an dem Tag, an dem es fertig gebaut wurde.
    Und wenn das Gebäude allein nicht schon umwerfend war, das Gelände, auf dem es stand, war so fantastisch, wie sie es in Erinnerung hatte. Gepflegte Sträucher und Bäume, deren Knospen sprossen; Blumen, die gerade erst aus dem Boden schossen und den Weg und das Haus säumten. Sie konnte Hortensien und Rhododendron neben einigen anderen Büschen ausmachen. In einem Monat würde alles in voller Blüte stehen. Langsam ging sie auf dem Rasen um das Haus herum, ließ alles auf sich einwirken, seufzte und stieß Laute der Verzückung aus. Schließlich stieg sie die Verandastufen hoch und warf einen Blick durchs Fenster nach innen. Wie sie vermutet hatte, war es leer. Hier wohnte niemand.
    Es war nicht wirklich wie das Haus, in dem sie und Kelly aufgewachsen waren. Das Heim ihrer Urgroßmutter war sehr viel kleiner gewesen und hatte nur über drei Schlafzimmer verfügt, wovon eins bloß ein winziger Raum unten neben der Küche war, kaum größer als ein großer Schrank. Doch auch dieses Haus war ein altes viktorianisches Schindelhaus gewesen, mit Giebeln, einem großen Garten und zwei Veranden.
    Jillian und Kelly waren jetzt seit einigen Jahren auf sich allein gestellt. Sie waren gerade fünf und sechs Jahre alt gewesen, da hatten ihre Eltern einen Unfall gehabt, bei dem ihr Vater starb und ihre Mutter zur Invalidin wurde. Ihre damals bereits betagte Urgroßmutter hatte die beiden Kinder sowie ihre Mutter, die tägliche Pflege brauchte, bei sich aufgenommen. So waren die beiden Mädchen in diesem kleinen Haus, das in einem älteren Viertel von Modesto, Kalifornien, stand, groß geworden. Weil ihre Mutter an den Rollstuhl gefesselt war und sich selbst darin kaum bewegen konnte, schlief sie unten in einem altmodischen Krankenhausbett, während die Mädchen sich oben ein Schlafzimmer teilten und Nana das andere Zimmer bewohnte. Ihre Mutter starb zuerst – damals besuchten die Mädchen noch die Highschool –, und als sie Anfang zwanzig waren, verschied auch ihre Urgroßmutter mit weit über neunzig Jahren.
    Während sie sich auf der Gartenveranda umschaute, fiel Jillian wieder ein, dass sie hier das letzte Mal auf dem rostigen Verandastuhl gesessen hatte, in dem die alte Frau, die hier gelebt hatte, gestorben war. Jetzt hockte sie sich auf die Verandastufen, lehnte sich an den Pfosten und ließ den Blick über den riesigen Garten schweifen, der die Größe eines Footballfeldes hatte. Er reichte bis zum Waldrand, und den größten Teil der Fläche nahm ein Gemüsegarten ein, in dem das Unkraut wucherte, das vor der Neubepflanzung im Frühling gejätet werden müsste.
    Es war so still hier, dass Jillian sich selbst beim Grübeln zuhören konnte. Und was sie dachte, war: Wie konnte er mich berühren, so, wie er es gemacht hat, und gleichzeitig planen, mir meinen Job zu stehlen, meinen Ruf zu zerstören und mir das Herz zu brechen? Wie kann ein Mensch einem anderen so etwas antun? – Und wieder fing sie an zu weinen, was sie sich grundsätzlich nur erlaubte, wenn sie ganz allein war. – Wie konnte er sagen, was er gesagt hat? fragte sie sich. Jillian, heirate mich. Jillian, du bist das Beste, was mir im Leben je passiert ist. Jillian, ich kann ohne dich nicht leben, und das ist mein voller Ernst. Du bedeutest mir so viel mehr als jeder Job .
    Es war die Tatsache, dass er sie vorsätzlich belogen hatte, was sie nicht verstehen konnte. Sicher, auch Jillian benutzte kleine Notlügen. Auch sie war in der Lage einer dicken Frau zu versichern, dass ihr das leuchtend rote Kleid gut stand, dass sie zu spät kam, weil sie in einen Verkehrsstau geraten war, oder dass sie eine Nachricht gerade erst erhalten hatte. Solche Dinge halt. Doch wie kann man jemanden nackt in den Armen halten und ihm all diese liebevollen Worte zuflüstern, wenn man unterdessen beabsichtigt, ihn den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen? Das war etwas, was sie einem anderen Menschen niemals antun könnte.
    Die Tränen liefen ihr über die Wangen, während sie im Garten herumspazierte und schließlich vor einem großen Geräteschuppen aus Aluminium stoppte. Noch immer
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