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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman
Autoren: Kate Atkinson
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Witwe war, wäre ein guter Zeitpunkt, ihn wieder anzunehmen. Die Leute wechselten ständig ihre Identität, ihr Großvater hatte seinen Namen in Lewis umgewandelt, nachdem er aus Polen in Leeds eingetroffen war mit einem Koffer aus Pappe und einem Familiennamen, den niemand aussprechen konnte.
    Die zwei Männer gingen ins Büro, und Gloria schlenderte über den Hof mit seinen geheimnisvollen Paletten und Säcken. Sie hatte keine Ahnung, wie man ein Haus baute. Sie fragte sich, was mit der menschlichen Rasse passiert wäre, wenn sie, Gloria, das Sagen gehabt hätte, als der Mensch zum ersten Mal mit Flint auf Flint schlug und ein Werkzeug erschuf. Sie hätte nie etwas so Kompliziertes wie ein Regal fabrizieren können, alles würde wahrscheinlich in Hängematten und Säcken aufbewahrt. Sie war eine Sammlerin, Graham war ein Schraubenzieher schwingender Jäger. Er ging hinaus und baute Dinge, sie blieb zu Hause und zog auf. Das war einen Monat nach ihrer Hochzeit, als der Funke in ihrer Verbindung noch sprühte und Gloria noch begeistert zuammenpassende Teller und Mopps kaufte.
    In diesem Augenblick hörte Gloria einen leisen miauenden Laut, der – Freude über Freude – aus einem Nest Kätzchen drang. Blind und maulwurfsgleich lagen sie zusammengerollt bei ihrer Mutter hinter einem Holzstoß.
    Hatter junior und senior kamen aus dem Büro, ihr neuer Schwiegervater grüßte sie mit: »Du hast also die verdammten Katzen gefunden, Gloria?« Gloria, die bereits den mit Lammfell ausgelegten Korb für mindestens zwei, wenn nicht gar alle Kätzchen plante, ein Hatter-Haus im Hatter-Haus, sagte: »Oh, sie sind so
niedlich,
Mr. Hatter.« Gloria zog die Zehen ein, so süß waren sie. Sie schaffte es nicht, ihn vertraulich »Jock« zu nennen, und so blieb es auch die drei Jahre, die sie seine Schwiegertochter war, bevor er einen massiven Herzinfarkt hatte, der ihn auf einer Baustelle umwarf; er fiel in einem Rohbau aus Betonbausteinen in den Dreck, die Männer versammelten sich um ihn und starrten erstaunt auf seinen Körper. Der Titan hatte das Gebäude verlassen. Der Olympier stand derweil in der unfertigen Küche und überlegte, ob er ungestraft ein kleineres Fenster als vorgesehen einbauen konnte.
    »Graham«, sagte Jock Hatter, »hol die verfluchten Viecher.«
    »Klar«, sagte Graham, hob die fünf weichen, warmen Kätzchen auf und warf sie mit einer einzigen mühelosen Bewegung in den Wassereimer neben dem Büro. Gloria war so überrascht, dass sie einen schrecklichen Augenblick lang nur zusah, stumm und reglos, als stünde sie unter einem Bann. Dann schrie sie und wollte zu Graham laufen, um die Kätzchen zu retten, aber Jock hielt sie zurück. Er war ein kleiner Mann, doch erstaunlich kräftig, und sosehr sie sich auch wand und wehrte, sie entkam seinem Griff nicht. »Muss gemacht werden, Mädchen«, sagte er leise, als sie schließlich aufgab. »So ist die Welt.« Graham holte die fünf schlaffen Leichen aus dem Eimer und warf sie in ein altes Ölfass, das als Abfalltonne diente.
    »Scheißkatzen«, sagte er, als sie später in der Kochnische ihres Einsteigerhauses hysterisch wurde. »Du musst dir abgewöhnen, so verdammt empfindlich zu sein, Gloria. Es sind bloß verdammte Tiere.«
     
    Ermordet
. Das Wort klang seltsam aus Tatianas Mund. Es grollte wie Donner, es spaltete den Himmel. Gloria fragte sich, ob der gespaltene Himmel in Teile zerbrechen und ihr auf den Kopf fallen würde. Ihr Bauch fühlte sich heiß und flüssig an, und ihr Herz schlug schneller, als gesund war für eine Frau kurz vor der Seniorenkarte. Tatianas Freundin war ermordet worden. Lena. Eine gute Person.
    Gloria wusste, was Tatiana sagen würde. Und das Schlimmste war, dass sie es glaubte, bevor der Name ausgesprochen war. Deswegen sagte sie ihn. »Graham«, sagte sie tonlos.
    »Ja«, sagte Tatiana. »Graham. Er ist sehr böser Mann. Er sagt Terry, dass er sie umbringen soll. Dasselbe, als ob er selbst sie umbringt. Kein Unterschied.«
    »Nein«, pflichtete Gloria ihr bei. »Kein Unterschied. Überhaupt kein Unterschied.«
    »Lena will zur Polizei gehen, alles sagen, was sie weiß.«
    »Was wusste sie? Über die Betrugsgeschichten?«
    Tatiana lachte. »Betrug ist nichts, Gloria. Viel schlimmere Sachen als Betrug. Graham macht Geschäfte mit sehr, sehr bösen Männern. Sie wollen nicht wissen, Gloria, sonst kommen Männer zu Ihnen. Wir müssen jetzt wirklich gehen.«
    Gloria neigte sich über ihren Mann und flüsterte ihm ins Ohr:
»Schaut
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