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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman
Autoren: Kate Atkinson
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Ein Baby würde auch Jackson heilen, ein paar seiner Wunden schließen. Was hatte Louise gesagt?
Sperma trifft auf Ei und bumm. Es kann den Besten passieren
. Und es war Julia passiert.
    Kein neuer Weg, aber eine neue Welt zum Leben.

49
    K lassische Musik drang aus dem Wohnzimmer. Die Lichter im Haus waren ausgeschaltet, stattdessen brannte eine Duftkerze im Kamin. Er hatte den Klassiksender im Radio eingestellt. Ihr brach das Herz angesichts der Art und Weise, wie er versucht hatte, damit fertig zu werden. Sie sah Archies Kopf oberhalb der Sofalehne.
Du kennst, Herr, die Geheimnisse unserer Herzen, verschließ nicht deine barmherzigen Ohren für unsere Gebete.
Sie musste ein Geräusch gemacht haben, denn er wandte den Kopf etwas und sagte: »Mum?« Sie hörte das weinerliche Zittern in seiner Stimme.
    »Archie?« Sie näherte sich langsam dem Sofa, biss sich heftig auf die Lippe und versuchte, den Schrei zu unterdrücken, der aus ihrem Innersten entkommen wollte.
    Archie blickte auf und sagte still: »Es tut mir leid, Mum.«
    Seine Augen waren rot gerändert, er war totenbleich. In den Armen hielt er Jellybean, als wäre es ein neugeborenes Baby, aber der Kater schien eingefallen und geschrumpft, alles Leben war aus ihm gewichen. Archie hatte ihn in einen alten Pullover von Louise gewickelt. »Ich dachte, er würde dich gern riechen«, sagte Archie. Wieder drehte sich der Korkenzieher. Es zerriss ihr das Herz. »Du kannst ruhig weinen, Mum«, sagte er, und endlich bahnte sich der Schmerz einen Weg aus ihr – ein schreckliches Wehklagen, eine hohe Totenklage, die sich anhörte, als käme sie von jemand anderem.
    Sie war nicht dabei gewesen, als die Katze geboren wurde, und jetzt hatte sie auch ihren Tod versäumt. »Aber alles dazwischen hast du erlebt«, sagte Archie. Es war beunruhigend, wie erwachsen er klang. »Hier«, sagte er und reichte ihr vorsichtig das traurige umwickelte Bündel. »Ich mache Tee.«
    Sie wickelte den Kater aus und küsste ihn auf den Kopf, die Ohren, die Pfoten.
Auch das wird vorübergehen.
    Archie brachte den Tee, und der Tee war süß. Er musste es im Fernsehen gehört haben – heißen, süßen Tee in Zeiten der Krise. Sie hatte nie im Leben Zucker in den Tee getan, aber es hatte etwas unerwartet Tröstliches.
    »Er hatte ein gutes Leben«, sagte Archie. Er war nicht alt genug, als dass es ein Klischee für ihn hätte sein können.
    »Ich weiß.« Liebe war das Schwierigste. Lass dir von niemandem etwas anderes erzählen.

50
    W ir müssen gehen, Gloria«, sagte Tatiana.
    Die Maschinen zischten und pumpten, Graham schwebte noch immer durch den Weltraum. Gloria beugte sich vor und küsste Graham auf die Stirn. Es konnte ein Segen oder ein Fluch oder beides sein, weil die Synthese, die die Wirklichkeit war, alles umfasste. Schwarz und weiß, gut und böse. Sein Fleisch war bereits wie Lehm.
    Welches waren die wahren Verbrechen? Kapitalismus, Religion, Sex? Mord – normaler-, aber nicht notwendigerweise. Diebstahl – dito. Aber Grausamkeit und Gleichgültigkeit waren auch Verbrechen. Ebenso schlechte Manieren und Unempfindlichkeit. Am schlimmsten war Gleichgültigkeit.
    Nicht lange nach ihrer Hochzeit fuhren Gloria und Graham an einem Sonntag zum Mittagessen zu seinen Eltern, Beryl und Jock. Eine magere gebratene Ente, wie sich Gloria erinnerte, aufgewogen durch einen mächtigen Pflaumenkuchen. Es erstaunte Gloria immer wieder, dass sie sich kaum erinnern konnte, was am vergangenen Freitag passiert war, aber noch in allen Einzelheiten wusste, was es vierzig Jahre zuvor zu essen gegeben hatte.
    Aus irgendeinem Grund war der Wagen an diesem Tag in der Werkstatt (Graham hatte einen Triumph Herald mit in die Ehe gebracht), deswegen hatte Grahams Vater sie in das bescheidene Hatter-Haus (das alte Pencaitland-Modell, lange aufgegeben) zurückgefahren, das Jock und Beryl ihnen zur Hochzeit geschenkt hatten. Es war als »Einsteigerhaus« bekannt gewesen. Niemand verkaufte »Aussteigerhäuser«, oder?
    Unterwegs machten sie einen Umweg über »den Hof«, weil Vater und Sohn dort irgendetwas längst Vergessenes zu erledigen hatten. Damals war Hatter-Häuser ein kleines Bauunternehmen mit einem wackligen Büro irgendwo in der Ecke. Gloria stieg aus. Sie war nie zuvor hier oder im Büro gewesen und nahm an, dass sie sich dafür interessieren sollte, da sie jetzt auch eine Hatter war. Selbstverständlich hätte sie nie ihren Mädchenamen, Lewis, aufgeben sollen. Jetzt, da sie eine geächtete
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